Dampfnudelblues
Papa.
»Für wie lang genau?«, frag ich nach.
»Was geht jetzt dich das eigentlich an? Sie ist doch da bei mir herüben. Und nicht etwa bei dir.«
»Das würd auch grad noch fehlen«, sag ich so.
Dann geh ich zum Stubenwagen, wo das kleine Bündel drin liegt und rausschaut. Die Schlitzaugen sind nicht mehr ganz so schlitzig wie bei ihrer Geburt. Mehr mandelförmig. Das ist schön. Die Haut ist dunkel und hat auch nicht den komischen Gelbstich wie die von ihrer Mutter. Eine Farbe wie Milchkaffee eher. Sehr schön. Aber die Nase! Die Nase, muss man sagen, hat so gar nichts asiatisch-stupsiges. Mehr so der typische Eberhofer-Zinken. Vielleichtnicht gar so schlimm wie beim Leopold oder bei mir, aber immerhin.
»Schön ist sie gell, unsere Uschi«, sagt der Papa, jetzt schon sehr viel versöhnlicher.
»Eigentlich schon«, sag ich.
»Ja, gut, die Nase halt. Ein richtiger Eberhofer-Zinken, oder?«, grinst er stolz.
»Wer Zinken sät, wird Zinken ernten. Das müsste sogar der Leopold wissen. Und wann, sagst du, kommen die zwei zurück?«
»Das kann nicht so spät werden. Schließlich braucht ja die Uschi ihre Brust«, sagt der Papa und schaut mit seinem Dutzi-Dutzi-Dutzi-Blick runter auf die Enkelin.
»Freust dich, dass sie den Namen von der Mama gekriegt hat?«, frag ich so.
»Ja. Eine größere Freude hätte mir der Leopold gar nicht machen können«, sagt der Papa leise.
Ja, das war klar.
Dann klopft es kurz an der Tür und herein stürmt die Mooshammer Liesl. Sie schiebt den Papa mit einem »Ser vus , Eberhofer« zur Seite und wetzt durch das Zimmer. Schmeißt mir ein »Servus, Franz« herüber und versinkt dann mit dem ganzen Oberkörper im Stubenwagen.
»Ist das etwa der neue Eberhofer?«, will sie wissen.
»Eberhoferin, wenn schon«, sagt der Papa.
»Ein Mäderl? Ist nicht so schlimm. Hauptsache gesund, sag ich immer«, sagt die Liesl. Dann erzählt sie, dass sie grad den Leopold samt Panida im Dorf getroffen und so von der Anwesenheit der dazugehörigen Brut hier am Hof erfahren hat. Und das muss sie sich natürlich gleich anschauen. Denn was die Neugier angeht, da ist die Liesl von allen Dorfratschn quasi ungeschlagen auf Platz eins.
»Und, was gibt’s sonst so Neues?«, frag ich die Liesl und schieb unauffällig einen Socken unter die Couch.
»Sonst? Mei, nix. Höchstens, dass auf dem Höpfl seiner Hauswand STIRB, DU SAU! steht. Hast du das schon gesehen, Franz?«
»Du, das sind dienstliche Ermittlungen, da kann ich dir absolut nichts sagen«, sag ich und tu so, als ob ich eilig wegmuss. »Ich muss auch schon weg. Mir pressiert’s.«
»Dienstliche Ermittlungen? Ja, was ermittelst du denn da so alles?«, hör ich sie grad noch, aber ich bin auch schon im Hausgang. Tür zu und weg.
Draußen treff ich den Leopold samt Weib und er holt Gott sei Dank sein Kind wieder ab. Alles wird im Auto verstaut und es beginnt ein Mordsgewinke.
»Bye-bye!«, rufen alle durcheinander und der Papa läuft ein paar Schritte neben dem Wagen her. Er humpelt ein bisschen. Seit seiner scharfen Auseinandersetzung mit einer Sense im letzten Sommer ist er einbeinig dreizehig. Das war ein Gezeter damals, das kann man gar nicht erzählen. Er säbelt sich also zwei Zehen ab und ich soll sie dann in der Wiese suchen, damit sie wieder angenäht werden. Hat aber leider nicht geklappt. Und natürlich bin ich seitdem schuld an seinen blöden Verstümmelungen. Auch jetzt krieg ich wieder seinen berühmten Schau-mal-wie-ich-hinke-Blick. So watschelt er in seiner abgewetzten Jeans dem abfahrenden Auto noch ein paar Schritte hinterher und winkt.
»Bye-bye!«, ruft er.
»Bye-bye, wir telefonieren!«, ruft der Leopold.
»Don’t call us, we call you«, ruf ich und winke auch. Dann sind sie weg und es kehrt endlich wieder Ruhe ein. Wenigstens für ein paar Minuten. Dann läutet mein Diensttelefon.
Ein Nachbarschaftsstreit ganz in der Nähe. Trotz vorgerückter Stunde und einem Wahnsinnsdurst raff ich mich auf und fahr hin. Dienst ist Dienst. Im Notfall auch am Sonntag. Vor Ort steht ein Zweifamilienhaus und auf dem Balkon im ersten Stock steht offensichtlich und mit beiden Armen rudernd der Anrufer von soeben im Schiesser-Feinripp. Dann erfahr ich, dass ein Thermometer der Apfel des Zankes ist.
Unglaublich.
Der Mieter vom Erdgeschoss hat besagtes Thermometer am Eingang über den Klingeln befestigt, um eben über die hiesigen Wärmeverhältnisse auf dem Laufenden zu sein. Was den Mieter vom ersten Stock aber ständig dazu
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