Dampfnudelblues
inzwischen per Du. Mit seinem Scheidungsanwalt sowieso.
Wir haben auch immer die gleichen Klamotten an, auf seinen Hochzeiten. Der Papa und ich einen Anzug und die Oma ein Kostüm. Auf Beerdigungen und Hochzeiten, immer das Gleiche. Seit Jahren. So wird es zumindest aufgetragen.
Die Hochzeitsfotos sind quasi austauschbar. Eigentlich müsste er immer nur sein neues Weib fotografieren lassen, der Leopold. Und den Kopf dann über eins von den alten Bildern kleben. Aber nein, da lässt er sich nicht lumpen. Da wird in den Park gefahren und ein Film nach dem anderen durchgejagt.
Der Fotograf ist auch immer derselbe. Sollen wir die-und-die Aufnahme wieder machen, Herr Eberhofer? Die war doch beim letzten Mal auch so schön, sagt er ständig.
Es ist peinlich.
Wir stehen dann da wie ein paar Affen und grinsen in die Kamera. Zum dritten Mal, wie gesagt. Der Anwalt hat seine Gattin dabei und die schmeißt sich dermaßen in Pose. Grad als ging’s um eine Misswahl oder so. Steht ständig im Zentrum des Geschehens, dass die arme Panida beinah wie ein Zaungast wirkt.
Erbärmlich.
Der Leopold sieht es auch. Aber er traut sich nichts zu sagen. Er kann sich’s ja schlecht mit seinem Scheidungsanwalt verderben. Wo er den sicherlich bald mal wieder braucht.
Nach dem ganzen Geknipse geht es dann endlich in ein Lokal. Wenigstens das ist ein anderes wie bei den letzten Malen. Das Essen ist köstlich, da gibt’s nix zum Meckern. Und zum Kaffee gibt’s eine Hochzeitstorte, drei Etagen hoch. Für jede Ehe eine, denk ich mir so.
Dann bringt mir der Papa die Sushi, weil sie weint. Ich füttere sie mit der Torte und alles ist wunderbar. Sie sitzt auf meinem Schoß und genießt das süße Leben. Der Leopold eher nicht. Er sendet böse Blicke. Weil das Kind halt keinen Zucker braucht und aus. Er braucht ihn schon. Er frisst drei Stück Kuchen und haut ebenso viel Löffel Zucker in seinen Kaffee.
Hinterher kommt ein Alleinunterhalter mit einer Ziehharmonika und spielt auf. Eine Zeit lang sitzen wir alle ziemlich verklemmt um ihn herum. Keiner traut sich mehr zu reden oder zu lachen. Wir starren ihn einfach nur an.
Herr, erbarme dich unser!
Dann aber tanzt das Brautpaar endlich den Hochzeitswalzer. Die Panida sieht wunderbar aus. Wie ein Kommunionkind. Was die eigentlich an dem Leopold findet? Keine Ahnung. Obwohl ich gehört hab, dass die Thailänder sehr bescheidene Menschen sind. Genügsam bis zum Dorthinaus. Keinerlei Ansprüche. Ja, gut, wenn man freilich so nullkommanull Ansprüche stellt, ist man mit dem Leopold natürlich bestens bedient. Volle Punktzahl, würd ich sagen.
Dann gibt’s Tanz für alle.
… Bella-Bella-Bella-Marie …
Und auf einmal fällt mir auf, dass ich als Einziger zurückbleib. Das Brautpaar tanzt, der Papa mit der Oma, wobei das Gehopse von einer Tauben und einem Fußkranken im Grunde nicht wirklich als Tanz durchgeht. Aber gut. Der Anwalt und sein Showgirl tanzen ebenfalls, und zweiweitere Paare, von denen ich nicht einmal weiß, ob sie zu uns gehören. Sie waren zwar von Anfang an dabei, haben aber noch mit keinem ein Wort gewechselt. Ja. Nein, was ich eigentlich sagen will, alle tanzen, nur ich sitz hier ganz allein umeinander. Lonesome Cowboy, quasi. Wär schön, wenn die Susi jetzt da wär.
Der Zwerg Nase liegt mit dem Gesicht ganz bequem in der Torte. So kann ich wunderbar kurz telefonieren. Ich ruf einmal den Birkenberger an. Vielleicht hat der Zeit für ein Schwätzchen. Nein, sagt er, es ist jetzt im Moment eher ganz schlecht. Er hat da grad was Mords-Wichtiges am Haken. Erstklassiges Weib und pipapo. Aber er meldet sich ganz bestimmt mal in den nächsten Tagen. Na prima.
Dann eben den Stopfer Karl. Der hat immer Lust auf einen Ratsch. Du, Franz, sagt er, die Waldburga hat grad das Essen fertig und die Kerzen brennen schon. Ist jetzt eigentlich eher schlecht. Tut mir leid.
Die Kerzen brennen schon! Dass ich nicht lache! Aber gut, wenn man Waldburga heißt, muss man wahrscheinlich mit allen Bandagen kämpfen.
Die Sushi ist jetzt eingeschlafen. Mitten in der Schwarzwälderkirsch. Ich tunk ein Taschentuch ins Mineralwasserglas und putz ihr die Wange. Rosa. Goldig. Dann leg ich sie vorsichtig in ihren Kinderwagen.
Decke drauf. Fertig.
Ich geh ein paar Schritte nach draußen.
Gute Luft.
Spätsommersonne funkelt durch glutrote Bäume. Altweibersommer.
Ich glaub, es wird langsam Zeit, mein Pferd zu satteln.
Dann schau ich rüber zum Parkplatz. Mein Wagen steht nicht mehr alleine dort.
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