Danach
Die CIA hat die Versuche eingestellt. Gehirnwäsche funktioniert nicht.«
»Jack war anderer Meinung«, erwiderte Adele. »Er war der Auffassung, dass die CIA die Studien nur unterbrochen hat, weil sie aufgeflogen waren. Die Methoden waren ethisch nicht vertretbar, deshalb wurden die Versuche eingestellt. Aber Jack war der Meinung, dass die Dokumente bewiesen, dass die CIA erfolgreich gewesen war. Und dass seine Entdeckungen das komplette Forschungsgebiet verändern würden.«
»Verstehe«, unterbrach Tracy sie. »Und Sie dachten also, dass das Ihr Ticket nach Harvard sein würde. Schließlich waren Sie seine Co-Autorin.«
Adele erbleichte, sagte aber nichts mehr.
Mir fielen die Bücher wieder ein, die Adele in der Unibibliothek gelesen hatte, und mir kam ein neuer, noch schrecklicherer Gedanke.
»Adele, welche Verbindung besteht zwischen diesen Forschungsergebnissen und dem Geheimbund? Ich weiß, dass es diesen Geheimbund gab, Sie und Jack waren Mitglieder, habe ich recht? Wurden die Mädchen auf den Fotos im Zuge irgendwelcher Rituale gefoltert? Oder waren sie Teil eines pseudowissenschaftlichen Experiments?«
Adele schüttelte den Kopf. Ihr Gesicht war jetzt so weiß wie die Seiten des offenen Notizbuchs in ihrer Hand.
»Nein, nein, ich hatte keinerlei Kenntnis davon.« Sie deutete auf die Fotos. »Das ist etwas anderes. Das ist Jacks Wahnsinn. Aber er hatte auch eine andere Seite. Er war ein seriöser Wissenschaftler.«
»Und wofür gab es dann diesen Geheimbund, Adele? Wir wissen, dass Sie Mitglied waren. Scott Weber hat es uns erzählt.« Das war zwar nur die halbe Wahrheit, aber ich ließ es darauf ankommen.
»Sie haben mit Scott gesprochen?« Ihr Tonfall veränderte sich, wurde aggressiv. Sie sah aus wie ein Tier in der Falle. Sie war es gewöhnt, am längeren Hebel zu sitzen und erfolgreich ihre Geheimnisse zu bewahren, aber wir hatten sie in die Enge getrieben.
»Sagen Sie uns, was Sie wissen, Adele«, forderte Christine sie auf, deren Augen noch gerötet waren vom Weinen. Ihre Stimme hingegen klang eiskalt.
»Der Geheimbund, wie Sie es nennen, hat nichts damit zu tun«, behauptete Adele und wich Christines angsteinflößendem Blick aus. »Das war nur ein … ein Uniprojekt.«
»Das müssen Sie uns erklären.«
Bestimmt war es ungewohnt für Adele, dass wir sie so in die Mangel nahmen, schließlich war sie sonst diejenige, die die Fragen stellte. Sie sah uns nacheinander prüfend an, vielleicht, um die Machtverteilung in dieser Runde abzuwägen. Wir warteten schweigend das Ergebnis ab. Endlich schien sie zu dem Schluss zu kommen, dass ihr keine andere Wahl blieb.
»Damals, im ersten Semester, waren David Stiller und ich ein Paar. Er war es auch, der mich in die BDSM-Szene einführte. Anfangs hat mich das Ganze nur aus intellektueller Sicht interessiert, als Forschungsthema sozusagen, aber dann bin ich … sagen wir mal, immer weiter in die Szene hineingerutscht. Wir fingen an zu experimentieren, und das Ganze ist ein wenig aus dem Ruder gelaufen.«
Sie machte eine Pause und warf einen Blick in die Runde. Offenbar fand sie sich mehr und mehr damit ab, dass sie uns die ganze Geschichte erzählen musste.
»Dann hat uns Jack in den hinteren Regalreihen der sozialwissenschaftlichen Bibliothek bei einem, nun ja, ziemlich ausgefallenen Rollenspiel erwischt, was ihn natürlich neugierig gemacht hat. Anfangs war es uns furchtbar peinlich, dass unser Professor uns auf die Schliche gekommen war, aber irgendwie hat uns sein Interesse auch geschmeichelt. Jack war eine sehr charismatische, respekteinflößende Persönlichkeit, und ich hatte gerade erst angefangen, für ihn als wissenschaftliche Hilfskraft zu arbeiten. Wir waren stolz, dass wir ebenfalls etwas zu bieten hatten.
Schon bald sind wir regelmäßig zusammen in die Gruft gegangen. Nach einer Weile – ich vermute, er wollte erst abwarten und sehen, ob er uns vertrauen konnte – hat Jack uns dann in seinen … privaten Studienkreis, könnte man es wohl nennen, eingeladen. Er hatte einen exklusiven kleinen Zirkel gegründet, dessen Mitglieder diese Subkultur auf eine Art und Weise erforschten, die eine staatlich finanzierte Universität nicht unbedingt gutgeheißen hätte. Mit mehr Praxisbezug, sozusagen.«
»Dieser Zirkel hatte den Bataille-Geheimbund aus den dreißiger Jahren als Vorbild, nicht wahr?«, fragte ich.
Adele wirkte überrascht. »Ja, Acéphale. Woher wissen Sie …«
»Das Brandzeichen. Der Mann ohne Kopf war das Symbol dieser
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