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Danach

Danach

Titel: Danach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koethi Zan
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ich glaube, wir müssen uns treffen.«
    »Das erscheint mir mehr als unnötig«, erklärte sie spitz. Ich hörte laut und deutlich den Hass aus ihrer Stimme.
    »Hör mal, Tracy, ich bin in zwei Tagen wieder in New York. Kannst du hinfahren, damit wir uns dort treffen können? Du hast sicher viel zu tun mit deiner Zeitschrift und all dem, aber ich finde, wir sollten keine Zeit verlieren. Gibst du mir deine Handynummer? Dann schreibe ich dir eine SMS, sobald ich wieder da bin und wir uns treffen können.«
    »Ich denk drüber nach«, antwortete sie. Dann war die Leitung tot.

9
    Nachdem ich beim Zimmerservice einen Kräutertee bestellt hatte, um mich von meinem Gespräch mit Tracy zu erholen, fuhr ich zum zweiten Mal nach Keeler, in der Hoffnung, dort Noah Philben ausfindig zu machen. Dabei konnte ich Menschen mit radikalen Ansichten nicht ausstehen und hatte mein ganzes bisheriges Leben danach ausgerichtet, ihnen aus dem Weg zu gehen. Fanatiker, Mystiker, Extremisten, sie alle neigten zu irrationalem, unvorhersehbarem Verhalten. Vor so etwas schützte einen keine Statistik.
    Mir war es am liebsten, wenn sich jeder seiner genau umrissenen demographischen Kategorie entsprechend verhielt, je nach Alter, Ausbildung und Einkommen. Sobald diese Faktoren ihren Vorhersagewert verloren, verlor ich meine Fähigkeit, Menschen einzuschätzen und mit ihnen umzugehen. Dann konnte, wie Jennifer und ich immer gesagt hatten, alles passieren, und »alles« hatte zu viele Ausprägungen, die mir nicht gefielen.
    Als ich gleich außerhalb der Stadt eine ungewöhnlich gepflegte BP-Tankstelle entdeckte, nutzte ich die Gelegenheit, obwohl der Tank des Mietwagens noch mehr als halbvoll war. Tief befriedigt nahm ich zur Kenntnis, dass der Kassierer durch bruchsicheres Plexiglas von mir getrennt war. Wenn es doch nur bei allen Menschen so gewesen wäre …
    Problemlos fand ich das Einkaufszentrum, das Helen Watson beschrieben hatte, und suchte mir einen Parkplatz in der Nähe des Supermarktes, weil dort ein ständiges Kommen und Gehen herrschte. Während die Leute laut klappernd ihre Einkaufswagen an mir vorbeischoben, blieb ich im Auto sitzen und fragte mich, was ich hier eigentlich wollte.
    Aus nervöser Gewohnheit griff ich in die Tasche und zog mein Handy heraus, um einen Kontrollblick darauf zu werfen. Der voll aufgeladene Akku und die fünf Empfangsbalken, die mir entgegenleuchteten, wirkten sofort beruhigend. Meine Schultern senkten sich, und ich atmete tief durch.
    Doch beim Gedanken an mein Vorhaben hätte ich am liebsten Reißaus genommen, zurück nach New York, um die ganze Sache schnellstmöglich zu vergessen. Ich konnte einfach vor dem Bewährungsausschuss aussagen, wie Jim mich gebeten hatte. Unter gar keinen Umständen würde man Jack Derber vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen, redete ich mir ein. Die Bewährungsanhörung war sicher nur eine reine Formalität, die nichts zu bedeuten hatte. Ich musste also gar nicht mit Noah Philben sprechen.
    Oder bestand etwa doch die Möglichkeit, dass Jack freikam?
    Nach allem, was ich über die Strafjustiz wusste, war das keinesfalls ausgeschlossen. Schließlich werden die Strafen nicht immer gerecht und gleichmäßig nach Schwere des Verbrechens verteilt. Manch einer verbringt sein ganzes Leben im Knast, weil man ihn mit einem Gramm Koks erwischt hat, während Vergewaltiger, Kidnapper und Kinderschänder bisweilen überhaupt keine nennenswerte Strafe absitzen. Vielleicht gab sich der Staat Oregon ja mit zehn Jahren zufrieden. Dass Jack entlassen wurde, lag also durchaus im Bereich des Möglichen, vor allem wenn der Bewährungsausschuss auf die Geschichte mit seiner religiösen Bekehrung hereinfiel. Außerdem hatte er sich im Gefängnis – natürlich – tadellos benommen und sogar seine Mitgefangenen unterrichtet, wie ich gehört hatte. Mist. Ich musste doch mit Noah Philben sprechen.
    Das Gebäude sah fast einladend aus und widersprach damit völlig meinen Erwartungen. Es war in fröhlichen Farben gestrichen, und auf der Fassade prangte ein riesiger Regenbogen, ein Relikt aus alten Zeiten, als es noch als Gemeindezentrum gedient hatte. Ich spähte durch die gläserne Eingangstür und entdeckte gleich links von mir ein kleines Büro, in dem ein junger Mann und eine junge Frau saßen. Die beiden konnten nicht älter als fünfundzwanzig sein und sortierten eifrig Papiere. Sie machten einen adretten, fleißigen Eindruck und wirkten überhaupt nicht wie Sektenmitglieder. Eher wie Mitarbeiter

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