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Danach

Danach

Titel: Danach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koethi Zan
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einer christlichen Jugendeinrichtung.
    Ermutigt öffnete ich die Glastür und trat an die Schreibtische heran. Der junge Mann hob den Blick und lächelte. Wenn das eifrige Flackern in seinen Augen nicht gewesen wäre, hätte er vollkommen normal gewirkt. Ich zögerte nervös.
    »Willkommen in der Kirche des Heiligen Geistes. Wie kann ich Ihnen weiterhelfen?«, fragte er heiter. Zu heiter.
    Ich holte tief Luft und erklärte ihm so höflich wie möglich, dass ich mit Noah Philben sprechen wollte. Der junge Mann runzelte die Stirn und schien nicht zu wissen, wie er auf meine Bitte reagieren sollte. Noah Philben bekam wohl nicht oft Besuch.
    »Keine Ahnung, ob er schon da ist. Äh, warten Sie doch bitte kurz. Ich bin gleich wieder bei Ihnen.«
    Er ließ mich mit der jungen Frau allein, die mich ebenfalls anlächelte, wenn auch nicht so offen wie der junge Mann. Dann senkte sie schnell wieder den Blick auf ihre Papiere. Jeder normale Mensch hätte an dieser Stelle ein oberflächliches Gespräch angefangen oder zumindest Hallo gesagt und das Wetter kommentiert, aber ich hatte völlig verlernt, wie so etwas ging. Also stand ich einfach nur unter der schlechten Neonbeleuchtung und sah mich nervös um.
    Ein paar Minuten später kehrte der junge Mann mit einem großen Mann im Schlepptau zurück. Er war etwa Mitte fünfzig und musste Noah Philben sein, denn er trug einen weißen Priesterkragen und ein schwarzes Gewand, das ihm bis zu den Fußknöcheln ging. Seine schulterlange, grau gesträhnte Mähne hatte einen verblichenen Blondton, und seine Augen waren stechend blau. Mit vollkommen neutralem Gesichtsausdruck kam er auf mich zu, eine Maske der Sachlichkeit und Gelassenheit.
    Aber als er am Büro vorbeikam und das Mädchen hinter dem Schreibtisch begrüßte, verzog sich sein Gesicht zu einem schiefen Grinsen. Der jungen Frau schien seine Aufmerksamkeit unangenehm zu sein, denn sie wandte schüchtern den Blick ab. Mir lief ein eiskalter Schauder über den Rücken. Unheimlicher geht es nicht, dachte ich insgeheim, zwang mich jedoch zu einem aufgesetzten Lächeln, als er näher kam. Ich versuchte, einen Schritt auf ihn zuzumachen, aber meine Beine versagten zitternd den Dienst.
    Genau in dem Moment, als er mich erreicht hatte, fing mein Handy an zu piepsen. Vermutlich Dr. Simmons, bei der ich heute eigentlich eine Therapiesitzung gehabt hätte.
    Während ich das Piepsen zu ignorieren versuchte, blickte Noah Philben vielsagend auf meine Hosentasche. »Wollen Sie nicht rangehen?« Diesmal bedachte er mich mit seinem schiefen Grinsen.
    »Nein, kein Problem.« Ich griff in die Tasche und stellte das Handy auf lautlos. »Mr Philben, ich …«
    » Reverend Philben, bitte. Und Sie sind Miss …?«
    Das wäre eindeutig mein Stichwort gewesen, aber es dauerte volle drei Sekunden, bis seine Worte zu mir durchgedrungen waren. Er wartete geduldig ab.
    »Ich bin Caroline Morrow«, brachte ich schließlich hervor. »Wie gut, dass ich Sie hier antreffe. Ich störe Sie nur ungern, aber ich bin auf der Suche nach einer alten Freundin. Sylvia Dunham? Mir wurde gesagt, sie sei ein Mitglied Ihrer … Kirche.« Ich blickte zu der jungen Frau hinüber, aber ihr Kopf war immer noch über die Post gebeugt. Ihr Kollege telefonierte. Keiner der beiden schien zuzuhören.
    Noah Philben hob fragend eine Augenbraue.
    »Interessant«, sagte er und sah sich nachdenklich im Raum um. »Warum gehen wir nicht lieber in mein Büro?« Er zeigte auf eine Tür im hinteren Teil des Gebäudes. Dass ich irgendein Hinterstübchen am Ende eines langen Flurs betrat, war völlig ausgeschlossen. Nicht mit diesem Kerl. Mit niemandem. Da konnte alles Mögliche passieren. Ich zwang mich zu einem freundlichen Lächeln und wies auf eine Bank im Eingangsbereich.
    »Oh, ich möchte Ihre Zeit nicht zu lange beanspruchen. Vielleicht unterhalten wir uns einfach direkt dort drüben?«
    Er zuckte mit den Schultern und machte eine zuvorkommende Handbewegung. »Wie Sie möchten. Nach Ihnen, bitte.«
    Ohne ihn aus den Augen zu lassen, ließ ich mich langsam auf der Bank nieder, bereute es jedoch sofort, weil er stehen blieb und nun drohend über mir aufragte. Er verschränkte die Arme und lehnte sich ans Schwarze Brett, wo in farbenfrohen Buchstaben zum Besuch des Gottesdienstes aufgerufen wurde. Das Papier flatterte im Luftzug, den er auslöste.
    »Also, woher kennen Sie Miss Dunham?«, fragte er, wobei immer noch ein träges Grinsen um seine Mundwinkel spielte.
    »Ich kenne sie noch aus

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