Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Danach

Danach

Titel: Danach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koethi Zan
Vom Netzwerk:
Erkenntnisse, die die Polizei damals nicht zutage gefördert hat. Ich bin Ihnen jederzeit gerne behilflich, wenn Sie diesen Ansatz weiterverfolgen wollen, also lassen Sie es mich wissen, wenn ich etwas für Sie tun kann.«
    Er gab sich wenig Mühe, seinen Neid auf Adele zu verbergen, und auch Verachtung glaubte ich aus seinen Worten zu hören.
    Nachdem ich noch einmal vergeblich versucht hatte, ihn auf seine eigenen Verbindungen zu Jack Derber anzusprechen, stand ich auf und stolperte beim Verlassen des Büros beinahe über meinen Stuhl. Na toll, dachte ich. Mein Abgang ist also genauso elegant wie mein Auftritt. 

20
    An diesem Tag versuchte ich noch mehrmals, Tracy anzurufen, aber sie ging nicht ans Telefon. Es war offensichtlich, dass sie nicht mit mir sprechen wollte. Weil ich ohne ihre Hilfe aber keine Möglichkeit sah, die gefundenen Puzzleteile sinnvoll zusammenzusetzen, beschloss ich, ihr einen Überraschungsbesuch abzustatten. Schließlich hatte sie das Gleiche bei mir getan.
    Ich buchte also meinen Flug um und landete in Boston statt in New York. Es war schön, wieder an der Ostküste zu sein, wenn auch nur für ein paar Tage. Meine Pläne würden mich nämlich bald wieder von hier wegführen.
    In Boston mietete ich ein Auto und entschied mich für die Panoramastraße nach Northampton. Ich war stolz auf mich, weil ich die lange Strecke problemlos meisterte. Inzwischen überkam mich nicht mehr lähmende Panik, sobald ich mich ans Steuer eines Autos setzte, sondern nur noch leichtes Unbehagen.
    Ich fuhr direkt zu Tracy, deren Adresse ich am Vormittag per Google herausgefunden hatte. Wenn sie unangemeldet vor meiner Tür stehen konnte, konnte ich das umgekehrt genauso.
    Sie wohnte in einem alten weißen Schindelhaus in einer ruhigen, gepflegten Wohngegend, die für jemanden wie Tracy viel zu bürgerlich wirkte. Es gab zwei Klingelschilder, auf denen in sauberer Druckschrift die Namen der Bewohner standen. Tracys Name stand oben. Mir fiel auf, dass das Türfenster vergittert war. Vielleicht fühlte sich Tracy ja doch nicht so sicher, wie sie immer vorgab.
    Ich fragte mich, ob sie zu Hause war. Wenn nicht, würde ich auf dem schmalen Treppenabsatz warten müssen, so wie sie bei mir im Foyer gewartet hatte. Eine Minute nachdem ich geklingelt hatte, hörte ich Schritte auf der Treppe, dann zog Tracy den Vorhang beiseite und spähte durchs Fenster. Sie sah nicht gerade begeistert aus, als sie mich sah, aber nach kurzem Zögern hörte ich das Klicken des Schlosses, das übrigens von ausgezeichneter Qualität war. Sie riss die Tür auf, allerdings nur einen Spalt.
    »Was ist denn jetzt schon wieder?«, fragte sie, eine Hand in die Hüfte gestemmt. Sie war ungeschminkt und sah müde aus. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte ich geschworen, dass sie geheult hatte.
    »Ich muss mit dir reden. Ich war noch einmal in Oregon und habe neue Informationen ausgegraben.«
    »Sarah, die Meisterdetektivin.« Sie zuckte resigniert mit den Schultern und bat mich mit schicksalsergebener Stimme herein. Ich folgte ihr die Treppe hinauf.
    Im Erdgeschoss waren die Wände in einem fröhlichen hellen Gelb gestrichen, und es hing ein alter Spiegel mit dunklem Holzrahmen im Hauseingang, aber als wir zu Tracys Wohnung hinaufkamen, änderte sich die Wandfarbe zu einem tristen, gedeckten Grau. Schon auf dem Treppenabsatz begrüßte mich ein gerahmtes Foto von einem Mann in Ketten, das mich ein wenig auf das vorbereitete, was mich jenseits der Wohnungstür erwartete.
    Tracys Wohnung war das komplette Gegenteil von meiner. Sie bestand aus einem einzigen, kathedralenartigen Raum, der durch Einbezug des Dachbodens entstanden und im gleichen düsteren Grau gestrichen war wie das Treppenhaus. Überall hingen Schwarzweißfotos und Radierungen, und sämtliche Bilder verursachten Albträume, wenn man sie sich zu lange ansah. Die Wohnung war von so überwältigender Tristesse, dass ich mich des Eindrucks nicht erwehren konnte, Tracy habe sie in eine Gefängniszelle verwandeln wollen. Mit Erfolg. Ich fühlte mich sofort wie eingesperrt.
    Wenn das wohnliche Chaos und der Duft nach frisch aufgebrühtem Kaffee nicht gewesen wären, wäre ich vermutlich sofort wieder gegangen. Eine ganze Wand der Wohnung wurde von Einbauregalen eingenommen, die bis unter die Decke mit Büchern vollgestopft waren. Die größeren, gebundenen Ausgaben waren quer gestapelt, und die kleineren Taschenbücher doppelt gereiht. Der Platz reichte dennoch nicht, und so

Weitere Kostenlose Bücher