Danach
sich die Hand vor den Mund, lächelte sarkastisch dahinter hervor und schüttelte den Kopf.
»Das hängt wie gesagt ganz von der Bestellung ab. Manchmal haben die Kunden spezielle Wünsche, dann müssen wir uns zum Beispiel erst irgendwo … ihr wisst schon, zurechtmachen.« Sie wies mit dem Kinn auf eine Ecke des Busses, in der eine große, mit zwei schweren Vorhängeschlössern gesicherte Holztruhe stand.
»Wenn keine Bestellungen vorliegen, bringen sie uns zu irgendeinem Gebäude, um uns für die Nacht einzuschließen. Sie scheinen eine Menge davon zu haben.«
»Seid ihr denn nie unbeaufsichtigt?«, fragte Tracy mit Verzweiflung in der Stimme.
»Erst wenn sie überzeugt sind, dass ihre Gehirnwäsche Wirkung zeigt und die Unterwerfung vollkommen ist. Wenn man so eingeschüchtert ist, dass man nicht mehr aufzumucken wagt. Wenn man die Geschichten glaubt, die sie einem erzählen.«
»Was für Geschichten?« Noch während ich fragte, hatte ich Angst vor der Antwort.
»Geschichten über das Netzwerk. Sie machen dir weis, dass es einen riesigen Sklavenhalterverband gibt, der dich jagt und umbringt, wenn du zu fliehen versuchst. Und deine Familie gleich mit. Falls du noch eine hast.«
Der Motor des Busses heulte auf, und wir bogen scharf rechts ab.
»Wie bist du hier gelandet?«, fragte Tracy, nachdem wir einige Minuten geschwiegen hatten, um die Worte des Mädchens auf uns wirken zu lassen und das Undenkbare zu verarbeiten.
»Ich war einfach nur dumm. Hab mir das Ganze selbst eingebrockt. Als ich vierzehn war, bin ich mit meinem Freund von zu Hause abgehauen und mit ihm nach Portland getrampt. Wir hatten beide Probleme zu Hause und wollten nur noch weg.«
Sie wischte sich die Nase mit dem Handrücken ab.
»Wir hätten es besser wissen müssen«, fuhr sie fort, »aber wenn man jung ist, denkt man, dass man unschlagbar ist und alles schafft. Na ja, wir waren halt noch Kinder damals.«
Ich verkniff mir den Kommentar, dass sie immer noch blutjung war, immer noch ein Kind.
Tracy rutschte auf dem Sitz nach vorne. »Lass mich raten: Drogen. Was war es? Heroin? Ecstasy? Special K?«
Das Mädchen sah sie erst ausdruckslos an und nickte dann. »Heroin. Sammy zumindest. Ihr … ihr kennt die Geschichten wahrscheinlich. Um seine Sucht zu bezahlen, musste er dealen, und weil er nicht gerade ein kaufmännisches Genie war, ist ihm immer wieder das Geld ausgegangen, zumal er irgendwann die Hälfte des gekauften Stoffs selbst konsumiert hat.«
Sie schüttelte den Kopf. Sammys mangelnder Geschäftssinn empörte sie eindeutig mehr als die Tatsache, dass er gefixt und sich als Heroindealer verdingt hatte. »In seiner Not ist er dann irgendwann an ebenjene Herren geraten, die uns gerade herumchauffieren. Und irgendwie musste er seine Schulden bei ihnen ja begleichen.« Sie zuckte mit den Schultern.
»Er hat … dich verkauft?«, fragte ich ungläubig.
»Ja, hat er. Ich hätte wissen müssen, dass etwas nicht stimmte. Er hat mich auf Knien angefleht, ihn zu einer Drogenübergabe zu begleiten, hat behauptet, er schaffe es nicht alleine. Er konnte sehr überzeugend sein. Wahrscheinlich wird jeder zum guten Schauspieler, wenn sein Leben auf dem Spiel steht.«
Sie hielt inne und starrte ausdruckslos an die Decke.
»Ich weiß, dass er mich geliebt hat, wisst ihr. Und ich weiß auch, dass es ihn fast umgebracht hat, mir das anzutun, aber letzten Endes lautete die Frage: er oder ich. Nur einer von uns konnte überleben. Und er hat sich für sich selbst entschieden.« Sie machte einen Schmollmund. »Verständlicherweise. Also ist er mit mir zu dieser Lagerhalle irgendwo im Nirgendwo gefahren. Ich habe die Szene bestimmt eine Million Mal in Gedanken durchgespielt. Natürlich war es eine Schnapsidee, ihn dorthin zu begleiten, und natürlich konnte es nicht gut ausgehen. Wer weiß? Vielleicht war es so etwas wie Selbstmord, dass wir an diesem Tag in dieses Gebäude marschiert sind. Wir haben es jedenfalls getan. Zwei Jugendliche, die so tief in der Scheiße steckten, wie man es sich nur vorstellen kann. Und dann saßen da diese drei Typen« – Sie wies mit dem Daumen nach vorne zur Fahrerkabine – »an einem winzigen Klapptisch in der Mitte des Raumes. Wie in einer schlechten Komödie. Diese Männer waren so … riesig« – sie streckte die Hände weit auseinander – »und der Tisch dagegen so winzig«, fuhr sie lachend fort und führte die Hände zusammen, um uns die Proportionen anzuzeigen.
Sie musste so sehr lachen, dass sie
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