Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Danach

Danach

Titel: Danach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koethi Zan
Vom Netzwerk:
hätten, hätten wir vielleicht eine Chance gehabt.
    Noch während wir in dem Verschlag abtauchten, hörten wir, wie zwei oder drei Männer die Halle betraten. Dann ertönte dröhnend eine Stimme, die von den nackten Wänden widerhallte: »Ruhig Blut, wir kommen in friedlicher Absicht!« Dieser Ausruf hatte heiseres Gelächter von den anderen beiden Männern zur Folge.
    Tracy und ich drückten uns noch tiefer in die Ecke hinein, obwohl uns klar war, dass das nichts brachte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis uns die Männer entdeckten. Vorsichtig zog ich mein Handy aus dem Gürtel und hielt es eng am Körper in der Hand. Schon die kleinste Bewegung zeichnete sich als Schatten ab. Wenn ich die Hand also vors Gesicht hob, zog ich sofort die Aufmerksamkeit der Männer auf mich. Auch Tracy war dieser Umstand nicht entgangen, und da sie mich nicht mit Gesten oder Worten von meinem Vorhaben abhalten konnte, sah sie mich flehend an. Seit unserer Zeit im Keller hatte ich keinen so flehenden Gesichtsausdruck mehr gesehen.
    Ich befand mich in einer schrecklichen Zwickmühle. Einerseits konnte ich das Handy nicht ans Ohr heben, ohne unser Versteck preiszugeben, aber andererseits waren wir verloren, wenn es mir nicht gelang, jemanden anzurufen oder sonst irgendwie einen Hilferuf nach draußen zu senden. Ich schielte so weit wie möglich nach unten, ohne den Kopf zu bewegen, und wählte Jims Namen aus meiner Kontaktliste aus. Dann machte ich mich daran, mit einer Hand eine SMS an ihn zu verfassen. Aber was sollte ich schreiben? Bin in einer Lagerhalle in Oregon, keine Ahnung, wo genau. Das brachte nichts. Aber ich hatte die Stimme eines der Männer erkannt und tippte – eingeschränkt durch die Bewegungslosigkeit, zu der ich verdammt war – langsam und umständlich zwei Wörter in mein Handy: »Noah Philben«. Er war die einzige Spur, die ich Jim hinterlassen konnte.
    Kurz nachdem ich den letzten Buchstaben getippt und auf »Absenden« gedrückt hatte, kamen die Männer auf unsere Ecke zugerannt. Sie mussten sich gegenseitig Handzeichen gegeben haben. Tracy stieß einen kurzen Schrei aus, während ich vor Angst keinen Laut herausbrachte.
    Ehe ich mich dessen versah, packte mich einer der Männer und drehte mir die Arme auf den Rücken. Dann hielt er sie mit einer Hand fest, während er mit der anderen meinen Gürtel löste. Klappernd fiel meine Notfallausrüstung samt Handy zu Boden. Der andere Mann hielt Tracy genauso fest umklammert. Seelenruhig kam Noah Philben auf mich zu.
    »Willkommen in unserer Sakristei, Sarah … Oh, entschuldige bitte. Wie, sagtest du noch mal, sei dein Name? Ich kann mich wirklich nicht erinnern. Aber an Sarah erinnere ich mich noch genau.«
    Er strich mit einem Finger langsam unter meinem Kinn entlang. Ich wich unwillkürlich vor ihm zurück. Jede menschliche Berührung widerte mich an, aber seine war mir besonders unerträglich. Noch schlimmer aber war die schlüpfrige, anzügliche Art, mit der er mich ansah. Ich spürte, wie mir am ganzen Körper der kalte Schweiß ausbrach. Aber als ich nach hinten zurückwich, schob mich der Mann, der mich festhielt, wieder nach vorne.
    »Überrascht es dich, dass ich deinen Namen kenne, Sarah?« Noah Philben lachte und zog eine Zigarette aus der Tasche. »Es macht euch doch nichts aus, wenn ich rauche? Nein, das dachte ich mir.« Nachdem er sich die Zigarette angezündet hatte, nahm er einen langen, genüsslichen Zug und blies mir den Rauch direkt ins Gesicht. Ich hustete, versuchte aber, mir keine Gefühlsregung anmerken zu lassen.
    »Ich wusste von Anfang an, wer du bist, meine Liebe. Schon als du in meine Kirche spaziert kamst. Direkt vor meine Füße! Ich konnte mein Glück kaum fassen. Danach habe ich dich verfolgen lassen, wir waren dir die ganze Zeit auf der Spur. Wer, glaubst du, hat euren kleinen Pfadfinderausflug an den See gestört?«
    Ich warf Tracy einen Blick zu und sah, dass auch sie panische Angst hatte. Krampfhaft überlegte ich, ob es irgendetwas gab, was ich sagen konnte, um uns zu retten. Wenn ich geglaubt hätte, ihn erweichen zu können, indem ich um mein Leben bettelte, hätte ich es getan, aber ich erkannte an seinem Blick, dass ich damit nichts als erneutes Gelächter geerntet hätte. Es hätte ihm große Freude bereitet, mich kriechen zu sehen, aber es hätte nicht das Geringste an seinen Plänen geändert.
    »Du fragst dich bestimmt, was wir hier in dieser hübschen Lagerhalle treiben. Das kann ich dir sagen: Wir halten hier

Weitere Kostenlose Bücher