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Danach

Danach

Titel: Danach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koethi Zan
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bessere Tage gesehen hatte. Sie bedachte uns mit einem Blick, der ein bisschen menschlicher, ein bisschen weniger animalisch wirkte als der der anderen.
    »Wer sind diese Typen, und wohin bringen sie uns?«, fragte ich sie flüsternd. Überrascht stellte ich fest, dass meine Stimme bebte, obwohl ich mich wach und hochkonzentriert fühlte. Der Schock hatte zumindest vorübergehend meine Panik verdrängt.
    Ein halbes Lächeln huschte über das Gesicht des Mädchens und verschwand dann wieder. Ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, als sie doch endlich antwortete. Während sie sprach, bemerkte ich, dass ihr auf einer Seite mehrere Zähne fehlten.
    »Wollt ihr das wirklich wissen?«, fragte sie.
    »Ja«, antwortete Tracy und beugte sich nach vorne. »Natürlich wollen wir das wissen. Schließlich müssen wir irgendeine Möglichkeit finden, hier rauszukommen.« Ich hörte die Angst in ihrer Stimme, auch wenn sie sich die größte Mühe gab, sie zu verbergen.
    Das Mädchen schnaubte. »Viel Glück dabei.« Dann fügte sie eilig hinzu: »Wenn ihr was gefunden habt, sagt mir Bescheid. Ich bin dabei, egal, was es ist. Aber ich bezweifle, dass euch das gelingt. Ihr habt keine Ahnung, mit wem ihr es zu tun habt.«
    »Dann erklär es uns«, bat ich.
    »Du wärst überrascht, wenn du wüsstest, was wir schon alles erlebt haben«, fügte Tracy hinzu.
    Das Mädchen sah uns unverwandt an. »Glaube ich nicht. Mich überrascht gar nichts mehr.«
    Ihr Blick schweifte zu den verdunkelten Fensterscheiben ab und wurde trüb.
    »Was denkt ihr denn, was das hier ist?«, fragte sie schließlich leise, ohne den Blick vom Fenster abzuwenden.
    Ich wollte es mir nicht vorstellen.
    Sie wandte den Kopf und sah mir direkt in die Augen. »Was auch immer du denkst, es ist noch schlimmer.«
    Sie hat keine Ahnung, wie düster meine Vorstellungskraft ist , redete ich mir ein. Dann versuchte ich, mich auf etwas Produktives zu konzentrieren. Zum Beispiel darauf, wie wir aus diesem Bus herauskamen.
    »Meinst du, wir werden die ganze Nacht fahren?«, erkundigte sich Tracy.
    »Kommt drauf an.«
    »Auf was?«, fragte Tracy und gab sich keine Mühe, ihre Gereiztheit zu verbergen. Sie hasste Ratespiele.
    »Auf die Bestellung.«
    »Was für eine Bestellung?« Auch ich wollte nun, dass sie endlich zum Punkt kam.
    »Ihr wisst schon …« Sie tat so, als würde sie mit den Fingern auf einer Tastatur herumtippen. »Was auch immer die Kunden im Internet bestellen. Wollt ihr einen guten Rat? Macht einfach alles, was sie euch sagen, dann tut es viel weniger weh.«
    Weil ich mir lieber nicht bildlich vorstellte, was sie damit meinte, warf ich einen Blick aus dem Rückfenster und sah den Highway hinter uns dahingleiten.
    Tracy beugte sich zur Seite und hob das schlaffe Handgelenk ihrer Sitznachbarin hoch. Sie schien es nicht einmal zu bemerken. »Jedenfalls seid ihr nicht gefesselt.«
    »Im Bus nicht«, antwortete das Mädchen, das uns gegenübersaß. »Schließlich müssen sie der Polizei eine plausible Geschichte auftischen können, wenn sie angehalten werden. Falls es jemals dazu kommt, müssen wir sagen, dass wir Mitglieder eines geistlichen Ordens sind.« Sie winkte mit den Ärmeln ihres weißen Gewands. Dann deutete sie mit dem Kopf zur Hecktür des Kleinbusses. »Der Bus sieht aus wie das ganz normale Fahrzeug einer Kirchengemeinde, aber glaubt mir, der Türgriff hier innen funktioniert nicht, dafür haben sie schon gesorgt.« 
    Das war es also. Noah Philben nutzte seine Sekte als Tarnung. War auch Sylvia eines dieser Mädchen gewesen? Hatte sie so dringend von hier weggewollt, dass sie sich bereit erklärt hatte, Jack Derber zu heiraten?
    Ich schüttelte den Kopf, verscheuchte den Gedanken. Es war sinnlos, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Wenn wir es nicht lebend aus diesem Bus heraus schafften, spielte alles andere keine Rolle mehr. Erstaunt stellte ich fest, dass ich einen vollkommen klaren Kopf bewahrte und trotz meiner Furcht voller Energie war. Genau wie damals auf meiner Flucht.
    Es schien, als wäre ich nur zu Ruhe und Konzentration imstande, wenn der schlimmstmögliche Fall bereits eingetreten war. Nur dann gelang es mir, mich voll auf etwas zu fokussieren. Weil ich mein Leben damit zubrachte, jederzeit das Schlimmste zu erwarten. Wie damals im Keller wusste ich, dass ich nachdenken musste. Nur Nachdenken konnte uns retten.
    »Was passiert, wenn ihr an einem neuen Ort ankommt? Ich will alles genau wissen«, sagte ich.
    Das Mädchen hielt

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