Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Danach

Danach

Titel: Danach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koethi Zan
Vom Netzwerk:
nicht mehr weiterreden konnte. Schweigend warteten wir ab, bis sie sich beruhigt hatte. Weder Tracy noch ich fanden ihre Geschichte im Geringsten komisch.
    Endlich hatte sie sich wieder eingekriegt und erzählte weiter: »Zuerst habe ich noch keinen Verdacht geschöpft, aber als ich ihre Gesichter gesehen habe, ist mir angst und bange geworden. Alle drei haben von einem Ohr zum anderen gegrinst. Vermutlich haben sie auf den ersten Blick erkannt, dass mit mir gutes Geld zu verdienen war. Meine größte Befürchtung war damals, dass sie mich vergewaltigen. Haha!« Sie starrte ins Leere und schluckte, aber ihre Augen blieben trocken.
    »Wie naiv von mir. Ich hielt eine kleine Gruppenvergewaltigung für so ziemlich das Schlimmste, was mir passieren konnte.« Sie lachte wieder, aber diesmal fehlte ihrem Lachen jeder Humor. Sie strich sich eine braune Strähne aus den Augen und klemmte sie hinters Ohr.
    Nachdem sie verstummt war, rutschten wir alle drei unbehaglich auf unseren Sitzen herum und starrten auf unsere Knie, weil wir es nicht ertrugen, die gemeinsame Schande in den Augen der jeweils anderen zu sehen. Ich ließ den Blick über die Mädchen gleiten, die neben uns aufgereiht saßen. Falls sie uns zuhörten, verbargen sie ihr Interesse gut. Jede schien in ihre eigenen Gedanken oder die eigene Leere im Kopf vertieft zu sein. Schließlich ergriff das Mädchen erneut das Wort.
    »Na ja, jedenfalls haben sie mich gepackt und davongeschleift. Sammy hat geweint und mir hinterhergeschrien, wie sehr er mich doch lieben würde. Aber als ich seinen verschlagenen Gesichtsausdruck gesehen habe, wusste ich, dass er mit drin steckte. Klar hat er geheult, aber nur um sich selbst. Armer Sammy! Seine Freundin auf diese Weise verlieren zu müssen! Sie haben ihm gesagt, er solle verduften, und er hat sich umgedreht und ist so schnell er konnte aus der Halle gerannt. Eigentlich das Schlauste, was er tun konnte: mich in die Falle zu locken und dann abzuhauen. Aber ich weiß, dass es ihn fertiggemacht hat. Vielleicht war der Schock sogar groß genug, um clean zu werden. Jedenfalls hoffe ich das.« Sie seufzte.
    Mir war schleierhaft, wie dieses Mädchen so viel Großmut aufbringen konnte.
    »Hast du denn keinen … Hass auf ihn?«
    »Ach, was soll das bringen?« Wieder seufzte sie und blickte zu dem schwachen Lämpchen über unseren Köpfen hinauf. »Er hat einfach nur den Weg eingeschlagen, den das Schicksal für ihn vorgesehen hatte. Warum soll ich meinen Hass an ihn verschwenden? Es ist, wie es ist. Mir wurde dieses Blatt im Leben ausgeteilt, und damit muss ich zurechtkommen. Weder Reue noch Kummer können daran etwas ändern. Momentan beschäftigt mich jeden Morgen nur eine einzige Frage: Werde ich den Tag überleben oder nicht? Und überleben ist wörtlich gemeint. Lebe ich am Ende des Tages noch, ja oder nein? Manche Mädchen kommen nie wieder zurück von ihren Einsätzen.«
    »Vielleicht fliehen sie ja«, mutmaßte ich voller Hoffnung.
    »Bestimmt nicht. Schaut sie euch doch an.« Sie zeigte mit einer auslandenden Geste auf ihre Leidensgenossinnen, ohne sie eines Blickes zu würdigen. »Habt ihr den Eindruck, dass sie gerade Fluchtpläne schmieden? Ihr glaubt alle steif und fest an das Sklavennetzwerk, nicht wahr, Mädels?« Sie sah die Mädchen immer noch nicht an. »Und vielleicht habt ihr ja recht. Wir sind schließlich markiert.«
    »Was meinst du mit markiert?« Tracy setzte sich kerzengerade hin.
    »Sie verpassen uns ein Brandzeichen. « Sie spie die Worte geradezu aus. Dann lehnte sie sich süffisant zurück und wartete unsere Reaktion ab.
    Wir zuckten nicht mit der Wimper. »Wie sieht das Zeichen aus? Einzelheiten, bitte«, ordnete Tracy mit ausdrucksloser Stimme an.
    Das Mädchen zeigte auf ihre Hüfte. »Ein richtiges Brandzeichen, wie bei Rindern. Genau hier. Angeblich kennt jedes Mitglied des ›Netzwerks‹ dieses Brandzeichen, und wenn uns dort draußen irgendjemand erwischt, bringt er uns zu unseren rechtmäßigen Besitzern zurück.«
    »Wie genau sieht das Brandzeichen aus?«, fragte ich. Meine Stimme bebte, weil ich die Antwort bereits kannte.
    »Schwer zu erklären. Ich sehe es mir nicht so gerne an, wisst ihr. Meistens verheilt die Wunde schlecht, deshalb sieht es bei manchen Mädchen aus wie ein Klumpen Narbengewebe. Angeblich erkennen die Mitglieder des Netzwerks das Zeichen trotzdem. Man könnte vielleicht sagen, dass es wie ein Stierkopf aussieht, nur dass die Hörner gerade zur Seite abstehen.« Sie zeigte

Weitere Kostenlose Bücher