Dance of Shadows

über die Köpfe hinweg nach vorn und versuchte herauszufinden, worauf alle starrten.
    »Es ist die Besetzungsliste«, sagte ein Mädchen namens Sandy. »Sie haben sie einen Tag früher ausgehängt.«
    »Was?«, rief Vanessa. Sie sah, dass sich Blaine bereits einen Weg durch die Menge bahnte, und TJs Lockenkopf war dicht hinter ihm. Vanessa sah ein einziges kleines Blatt am Schwarzen Brett hängen, und Dutzende fuhren mit dem Finger die Liste hinunter und suchten nach ihrem Namen.
    »Das ist verdammt unfair!«, rief plötzlich eines der älteren Mädchen. Vanessa erkannte Laura, eine von Anna Frankos Freundinnen.
    Plötzlich kehrte eine bedrohliche Stille ein.
    Mit einem Ruck riss Laura die Liste vom Schwarzen Brett, zerknüllte das Blatt und warf es zornig gegen die Wand.
    Die Menge teilte sich, als Laura sich mit wutentbranntem Gesicht umdrehte. Sie wollte gerade davonstürmen, da entdeckte sie Vanessa am Rand der Menschentraube. »Ich hoffe, du bist jetzt zufrieden«, rief sie ihr verächtlich zu, und weg war sie.
    Alle verstummten. »Zufrieden womit?«, fragte Steffie.
    Vanessa sah Laura verwirrt nach. »Ich hab keine Ahnung.«
    Eine ältere Schülerin, die vorne stand, hob die Besetzungsliste auf, strich sie glatt und hängte sie wieder hin.
    Die Schüler drängten sich erneut darum und suchten nach ihren Namen. »Das sind ja alles nur Oberstufenschüler«, stöhnte ein Junge entnervt.
    Vanessas ließ die Schultern sinken. Insgeheim hatte sie schon gehofft, für eine Rolle besetzt zu werden. Schließlich hatte ihr Josef doch versichert, sie hätte großes Potenzial. Und auch Zep hatte gesagt, sie tanze atemberaubend.
    Vanessa fuhr sich mit der Hand durchs Haar und trat von dem Gedränge zurück.
    »Hey, wo gehst du denn hin?«, fragte Steffie. »Willst du es nicht auch sehen?«
    Vanessa schüttelte den Kopf. Sie wollte gerade wieder ins Wohnheim zurückgehen, als ein Mädchen von ihrem Stockwerk sie wütend anstarrte, bevor sie davonrannte.
    »Was ist los?«, fragte Vanessa, aber das Mädchen drehte sich nicht mal um. Als Nächstes bemerkte sie, dass zwei Schülerinnen aus ihrem Kurs über internationale Beziehungen miteinander zu tuscheln begannen und dabei zu ihr herüberschauten. Vanessa runzelte die Stirn und versuchte sie zu ignorieren. Da packte TJ sie auf einmal am Handgelenk und zerrte sie durch die Menge nach vorn.
    »Was machst du denn da?«, wehrte sich Vanessa und versuchte sich loszumachen.
    »Schau selbst.« TJ deutete auf die Besetzungsliste.
    Dort, ganz oben, stand Zeppelin Gray, besetzt als Prinz Iwan, die männliche Hauptrolle. Und daneben stand Vanessa Adler. Als der Feuervogel.
    Es musste ein Versehen sein. Vielleicht hätte Vanessa als eine der dreizehn Prinzessinnen besetzt werden sollen, aber sicher nicht als Feuervogel. Darum ging es offenbar bei dem Getuschel in den Korridoren, in den Umkleideräumen, im Speisesaal und im Wohnheim. Und nun, als ihre anfängliche Begeisterung sich gelegt hatte, musste Vanessa sich eingestehen, dass sie ihren Mitschülern recht geben musste. Es musste sich um ein Versehen handeln; sie konnte es ja selbst kaum glauben.
    »Jetzt mal im Ernst«, sagte TJ später am Abend. »Wie hast du das hingekriegt?«
    Sie saßen in ihrem Zimmer, Blaine an das Kopfteil von TJs Bett gelehnt und Steffie auf Vanessas Stuhl. Ihre langen Beine hatte sie auf den Schreibtisch gelegt. Vanessa saß mit angezogenen Beinen auf dem Bett.
    »Jetzt werden wir nicht mehr gemeinsam üben können«, sagte Steffie. »Du probst ab sofort mit den Prinzessinnen.«
    »Das ist echt Kacke«, sagte Blaine.
    »Meinst du wirklich?« Vanessa hatte noch gar nicht daran gedacht, dass sie künftig von ihren Freunden getrennt sein würde.
    Steffie sah sie mitfühlend an. »Ich glaube schon«, sagte sie. »Nur du und Zep und Anna und alle ihre Prinzessinnenfreundinnen werden in einem Studio zusammen tanzen. Wie eine große, glückliche Familie.«
    Anna. Die Prinzessinnen. Vanessa schnürte es die Kehle zu, als sie daran dachte, künftig mit all diesen Mädchen zusammengespannt zu sein.
    Blaine riss die Augen auf und sagte zu TJ: »Ob sie wohl mit Anna auskommen wird?«
    »Höchst unwahrscheinlich«, antwortete ihm TJ. »Ich wette, Anna ist stinksauer, dass ihr eine aus der unteren Klasse die Hauptrolle wegschnappt und sie nur als Prinzessin besetzt wird.«
    Vanessa sah sie entgeistert an. »Hey, ich hab ihr die Rolle nicht weggeschnappt   … «
    »Dreimal Brautjungfer, niemals Braut«, spottete