Dance of Shadows
ihn gerade dieses Geheimnisvolle auch so attraktiv. Zep war der Inbegriff von Bewegung – ein Aufflackern hier, ein weiteres Aufflackern da, und schon war er wieder fort und ließ Vanessa wie benommen zurück. Ihr blieb nur die Erinnerung daran, wie sich sein Körper mit ihrem bewegt hatte.
Aber sie wollte mehr.
Den Rest der Woche erlebte sie wie in Trance. Sie hörte zwar im Unterricht zu, aber das Einzige, was sie klar hören konnte, war immer nur Zeps Atem, als er getanzt hatte. Sie saß mit ihren Freunden in der Bibliothek, starrte jedoch nur die Seiten an. Immer wieder musste sie daran denken, wie sich ihr Körper in Zeps Armen völlig entspannt hatte und wie überraschend sich das anfühlte – nicht die Kontrolle über ihren eigenen Körper zu haben. Selbst jetzt musste sie unwillkürlich immer wieder zu den Regalen hinübersehen, neben denen Zep vor ein paar Tagen gestanden hatte; das Holz war dunkel, als wäre sein Schatten dort noch immer zu sehen.
»Alles in Ordnung bei dir?«, fragte Steffie und ließ ihren Textmarker sinken. Ihre Fingernägel waren in knalligem Lila lackiert.
»Klaro«, sagte Vanessa. »Warum fragst du?«
»Du hast in den letzten zwanzig Minuten nicht ein Mal umgeblättert. Und auch beim Frühstück hast du kaum ein Wort gesagt. Was ist los mit dir?«
Vanessa zögerte. Hatte Zep wirklich seinen Körper an ihren gedrückt und die Hand an ihrem Rücken entlanggleiten lassen? Sie konnte die Berührung fast noch spüren, und trotzdem kam ihr die Erinnerung daran mit ein bisschen Abstand unwirklich vor. Nachdem Justin an jenem Abend wieder hinausgegangen war, war jede Spannung aus dem Raum gewichen, und das elektrisierte Knistern, das zwischen Zep und Vanessa geherrscht hatte, war verebbt. Obgleich keiner von beiden ein Wort darüber verloren hatte, wussten sie, dass sie ihren Tanz jetzt nicht mehr beenden konnten – unter diesen Umständen war das einfach nicht möglich. Also hatte Zep Vanessas Sachen aufgehoben und mit seiner Hand über ihre gestrichen, aber er hatte ihre Hand nicht mehr in seiner gehalten, als sie gemeinsam hinausgingen. Da hatte Vanessa erkannt, wie kompliziert ihr Verhältnis zueinander war. Würde sie laut aussprechen, was sie und Zep miteinander teilten, so würde sich alles in Luft auflösen. Das war es, was sie befürchtete, und deshalb wollte sie Steffie nichts davon erzählen.
Und trotzdem beschäftigte es sie ständig. Was wäre geschehen, wenn Justin nicht hereingekommen wäre? Sie blickte zur anderen Seite des Tischs. TJ hatte Stöpsel in den Ohren und schrieb eifrig Sätze aus ihrem Geschichtsbuch ab, und Blaine las und bewegte sich dabei im Takt zur Musik aus seinem Kopfhörer.
Steffie trommelte mit den Fingern auf dem Tisch. »Und …?«
Vanessa senkte die Stimme. »Gestern hab ich Zep zufällig in der Bibliothek getroffen.«
Blaine hob den Kopfhörer von einem Ohr. »Was ist?«
»Ach nichts«, sagte Vanessa schnell und sah Steffie vielsagend an. Das Letzte, was sie jetzt wollte, war, ihr Geheimnis mit Blaine zu teilen. »Ich bin heute nur ein bisschen neben der Spur.« Den restlichen Nachmittag vertiefte sie sich in ihr Buch.
Als sie zurückkehrten, war es im Wohnheim unnatürlich still. Selbst der Gemeinschaftsraum war leer.
»Das gefällt mir gar nicht«, sagte Blaine, als sie einen Blick in die Küche warfen, die ebenfalls verlassen dalag. »Es herrscht die gleiche komische Atmosphäre wie am Abend nach der Einführungsveranstaltung.«
»Schaut mal da drüben hin!«, sagte TJ. Sie deutete zum Fenster hinaus auf zwei Mädchen von ihrem Stockwerk, die in Eile über die Plaza gerannt kamen.
»Warum beeilen die sich denn so?«, wunderte sich Steffie. »Der Unterricht ist doch vorbei.«
Ein paar Augenblicke später rannte ein Junge namens Paul aus ihrer Klasse ebenfalls über die Plaza. Er schrie Jenny, einer Oberstufenschülerin, die auf dem Brunnenrand saß und las, etwas zu. Sofort klappte Jenny ihr Buch zu, stopfte es in die Tasche und folgte ihm. Vanessa sah die beiden durch die Glastüren im Gebäude mit den Übungssälen verschwinden.
»Was ist denn da los?«, murmelte sie.
Blaine warf sich seine Tasche über die Schulter. »Keine Ahnung, aber das werde ich gleich rausfinden.«
Sie eilten nach draußen, überquerten die Plaza und betraten das Gebäude mit den Übungsräumen.
Im Foyer wurden sie bereits von einem wilden Stimmengewirr empfangen. Jede Menge Ballettschüler drängten sich um das Schwarze Brett.
Vanessa spähte
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