Dance of Shadows
erstarrte mit schreckverzerrtem Gesicht. Vanessa sah entsetzt zu, wie das Mädchen sich ruckartig nach rechts und links bewegte. Ihr Körper krümmte sich, wie ein Lichtstrahl, der sich im Wasser bricht. Grelles Licht brach durch die Decke. Vanessa hielt sich die Hände vors Gesicht. Das Letzte, was sie sah, waren die Lippen des Mädchens, leicht geöffnet, während ein blendend heller Lichtschein auf das Mädchen herabfiel und ihr die Strahlen aus dem Mund drangen wie ein Schrei.
Kapitel sechzehn
Vanessa konnte sich später nicht mehr daran erinnern, was als Nächstes geschehen war.
Sie wusste nur noch, dass die Tür aufgerissen wurde und zwei starke Arme sie hochhoben und durch die kühle Herbstnacht in ein anderes Gebäude trugen. Vanessa kniff die Augen zusammen und starrte auf die schweren, dunkel angelaufenen Messingleuchter des Speisesaals. Jemand legte sie vorsichtig auf einem Tisch ab, und sie sah, wie ein breiter Rücken in der Dunkelheit verschwand. Wer war das? Und was war mit ihr geschehen? Sie erinnerte sich vage daran, dass sie getanzt hatte, an schemenhafte Figuren und leuchtende Umrisse.
In einiger Entfernung wurde ein Licht eingeschaltet. Sie hob den Kopf und versuchte, sich durch Rufen bemerkbar zu machen, doch ihr Mund fühlte sich staubtrocken an, ihr Rücken war steif und schmerzte, und das Haar klebte ihr schweißnass am Nacken.
Sie hörte Schritte auf sich zukommen, und irgendjemand stellte neben ihrer Wange einen Becher ab. Der Duft von Kamillentee stieg ihr in die Nase und weckte ihre Lebensgeister. Sie blickte in ein Paar freundliche, vertraute Augen.
»Zep?«
Er strich ihr das Haar aus dem Gesicht und legte ihr ein nasses Handtuch auf die Stirn. »Vanessa.« Seine tiefe Stimme beruhigte sie.
»Was ist los? Was machst du hier? Was ist passiert?«, stammelteVanessa, denn ihr schoss ein Dutzend Fragen auf einmal durch den Kopf.
»Du bist im Probenraum ohnmächtig geworden.« Sein dunkles Haar fiel ihm in die Stirn, als er sich über sie beugte und ihr vorsichtig die Spitzenschuhe losband. Dabei sah er sie forschend an. »Was ist geschehen?«
Vanessa krümmte die Zehen, als er ihr die Schuhe auszog, und ein Schauer durchlief sie. Hatte Zep sie gefunden und hierhergetragen? Und war es nicht nur ein Traum, dass er ihr jetzt die Füße rieb? Es erschien ihr alles so unwirklich, dass sie es kaum glauben konnte. Vor ein paar Stunden erst war er nach der Probe ohne ein Wort fortgegangen. Warum war er in den Probenraum im Balletttheater gekommen? War er ihr dorthin gefolgt, um sich bei ihr zu entschuldigen? Plötzlich schoss ihr ein Bild durch den Kopf, und nach und nach kehrte ihre Erinnerung an das Geschehene zurück.
»Sie sind zum Leben erwacht«, sagte sie, als ihr die weißen Figuren wieder einfielen. »Die Tänzerinnen an den Wänden. Ich habe getanzt, da begannen sie auf einmal zu glühen. Die Schemen kamen auf einmal von der Wand und ahmten meine Bewegungen nach. Und … «
Vanessa schloss die Augen und dachte an das Mädchen, das bis zum Schluss mit ihr getanzt hatte – das Mädchen, das ausgesehen hatte wie Margaret. Als sie an das Grauen im Blick der Tänzerin zurückdachte, erschauerte Vanessa. Wer war dieses Mädchen? Und was war ihr zugestoßen?
Sie schlug die Augen auf. »Ich muss zurück. Ich muss unbedingt herausfinden, wer diese Mädchen sind.«
Zep legte seine Hand auf ihre. »Hat das nicht Zeit?«, fragte er mit besorgter Miene. »Ich glaube, du solltest dich erst einmal ausruhen.«
Vanessa schüttelte den Kopf. »Ich habe das Stück nicht zu Ende getanzt. Deshalb ist sie wahrscheinlich … « Sie suchte nach den passendenWorten, um zu beschreiben, was sie gesehen hatte. »Deshalb ist ihre Gestalt in Licht zerborsten. Sie ist mir aus einem bestimmten Grund gefolgt. Ich muss herausfinden, warum.«
»Ein Mädchen? Und sie ist in Licht zerborsten?«, fragte Zep. Ganz offensichtlich glaubte er ihr nicht.
»Ich hab sie gesehen«, versicherte ihm Vanessa. »Sie war wirklich da.«
»Ich bezweifle nicht, dass du irgendetwas gesehen hast, aber vielleicht war es ja auch nur eine optische Täuschung. Du hast in den vergangenen Wochen sehr hart trainiert. Du bist erschöpft, vielleicht auch dehydriert.«
Vanessa schluckte, und ihr Mund fühlte sich immer noch trocken an. Sie musste zugeben, dass er recht hatte. Andererseits wusste sie aber auch, was sie gesehen hatte – und das war keine Sinnestäuschung gewesen.
»Ich bitte dich doch nur, dass du noch ein
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