Dance of Shadows
über deinen Trainingsplan sprechen«, sagte er.
Vanessa versuchte, nicht zusammenzuzucken, als er sie am Arm packte, wo sie von seinen Griffen bereits eine erkleckliche Sammlung verblassender blauer Flecken hatte. »Ja?«, sagte sie und umklammerte ihre Tasche.
»Die Aufführung rückt näher, und ich will sichergehen, dass du sie genauso ernst nimmst wie wir anderen.«
Vanessa runzelte die Stirn. »Natürlich tue ich das.«
Josef schaute sie prüfend an und machte ein besorgtes Gesicht. »Du wirst aber nicht besser. Trainierst du auch nach den Proben?«
Vanessa trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. »Ja, schon.«
Josefs Gesicht wurde hart. »Das reicht nicht. Wenn du eine professionelle Tänzerin werden willst, musst du dich auch wie eine verhalten. Wenn du bis Montag nicht besser geworden bist, werde ich gezwungen sein, einige Änderungen vorzunehmen.«
Vanessa spürte, wie sie blass wurde. Ehe sie antworten konnte, ging die Tür auf, und die anderen Tänzer strömten in den Flur hinaus. Josef schaute Vanessa noch einmal ernst an und mischte sich dann unter sie.
»Ich werde mich verbessern«, rief sie ihm nach und drehte sich nach Zep um. Aber zu ihrer großen Enttäuschung hatte er den Probenraum schon verlassen.
Die Plaza des Lincoln Center war menschenleer, als sie nach draußen trat, und die kühle Nachtluft drang durch ihre Strickjacke. Auf der anderen Seite der Plaza sah sie Anna und die Prinzessinnen, deren Gelächter von den großen Gebäuden widerhallte. Vanessa wollte nichts mehr hören, und ohne nachzudenken drehte sie sich um und lief Richtung Broadway.
Die Nachtluft wirbelte das Laub auf, das auf dem Bürgersteig lag, und ließ es um Vanessas Füße tanzen. Sie hatte kein bestimmtes Ziel, sie wollte nur allein sein, wenigstens einen kurzen Augenblick. Auf der anderen Straßenseite schimmerten die großen Glasscheiben des Lincoln Center in warmem Gelb wie Butter. Dahinter sah sie die Umrisse von Menschen: zwei Leute, die sich küssten, Mutter und Kind, die ein Eis leckten, ein älteres Pärchen, das auf dem Rand des Brunnens saß. Die Ampel sprang auf Rot. Vanessa wartete unter einer Straßenlaterne und sah, wie sich die Gestalten bewegten, als würden sie an einem sanften, geschwungenen Tanz teilnehmen.
Dann sah sie aus dem Augenwinkel, dass sich noch etwas anderes bewegte. Vanessa warf einen Blick zurück über die Schulter, aber es war niemand anderes in der Nähe, nur ein großes steinernes Gebäude lag in der Dunkelheit. Sie ignorierte die Bewegung und drehte sich wieder zur Straße, als sie es erneut wahrnahm: Etwas bewegte sich dort im Dunkeln. Diesmal war sie sicher, dass sie es sich nicht eingebildet hatte. Sie tat so, als würde sie etwas in ihrer Tasche suchen, und spähte wieder nach hinten, und sie sah, wie ein Schatten sich aus dem Dunkel des Gebäudes löste.
Der Schatten wurde schnell größer und kam direkt auf sie zu. Vielleicht war es ein Obdachloser? Sie wusste es nicht, und sie wollte es auch nicht herausfinden.
Sie wartete nicht auf Grün, sondern warf sich ihre Tasche über die Schulter und vergewisserte sich, dass kein Auto kam. Dann rannte sie über die Straße und sprang hinter einen Zeitungsstand. Einen Moment dachte sie, sie hätte sich getäuscht und es würde ihr niemand folgen. Sicher war es nur die Dunkelheit, die ihr einen Streich spielte. Am Rand der Plaza hielt sie inne, um wieder zu Atem zu kommen, als sie Schritte hörte.
Der Schatten, der sie erschreckt hatte, war Justin. Er lief unter einer Laterne entlang, die Fratelli-Zwillinge dicht hinter ihm. Vanessa drückte sich in einen Spalt und wartete.
Sie kamen auf sie zu und hielten keine zwei Meter neben ihrem Versteck an. Justin war so nahe, dass Vanessa sein Parfüm riechen konnte. Warum folgten sie ihr? Als könnte er ihre Gedanken spüren, drehte Justin sich um. Er hatte die Stirn gerunzelt und blickte finster drein.
Vanessa drückte sich enger an die Wand und hielt den Atem an. Sie spähte über die Lincoln Center Plaza und hoffte, es würde sie jemand schreien hören, falls die drei sie fänden. Aber der Platz war menschenleer. Dann gingen Justin und die Zwillinge weiter.
Vanessa wusste nicht, warum sie solche Angst hatte, aber sie rannte am Lincoln Center entlang und hielt sich dicht an den Gebäuden, bis sie die Glastüren des New York City Ballet erreichte. Drinnen stand ein Sicherheitsbeamter. Sie warf einen letzten Blick zurück und zeigte ihren Ausweis vor.
»Ist heute Abend
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