Dancing Jax - 01 - Auftakt
Vorschlag gemacht hatte, hierherzukommen.
»Bobby Runecliffe!«, platzte sie heraus und wich zurück. »So hieß der Junge. Er war berühmt, kam ständig in den Nachrichten, damals. Meine Mum hat ihn gekannt. Sie gingen in eine Klasse. Mit dreizehn verschwand Bobby, mitten in der Nacht. Drei Tage lang hat man nach ihm gesucht – schließlich haben sie ihn gefunden, wie er die Autobahn entlangspazierte. Aber er war nicht mehr derselbe – hatte eine Schraube locker. Er konnte nicht mehr sprechen. Nachdem sie ihn heimgebracht hatten, hat er alle seine Haustiere umgebracht, hat sie erwürgt. Danach hat er dasselbe mit seiner kleinen Schwester versucht. Seitdem sitzt er, sie haben ihn weggesperrt. Keiner weiß, wohin er verschwunden war, aber er muss hier gewesen sein. Oh Gott, er war hier und es hat ihn verrückt gemacht. Jezza – mach das nicht auf! Bitte!«
Doch er lachte nur, während er den letzten Nagel fortsprengte und den Deckel von der Kiste drückte.
Shiela zitterte. Ihre Adern waren vollgepumpt mit Adrenalin. Sie war bereit, bei der kleinsten Kleinigkeit sofort die Flucht zu ergreifen. »Wenn da irgendwas rausgeflogen kommt …«
Im Haus über ihnen hörten sie Miller losplärren. »He, Leute! Das glaubt ihr nie! He, ihr! Das ist echt total abartig, Mann!«
Shiela fuhr herum. »Was? Was hat er gesagt?«
In diesem Moment ließ Jezza das Brecheisen auf den Steinboden fallen und das entsetzlich laute Scheppern brachte sie zum Kreischen.
»Tu das nicht!«, brüllte sie.
»Beruhig dich, Baby«, murmelte er, während er voller Bewunderung in die offene Kiste stierte. »Ganz ruhig.«
»Hast du Miller nicht gehört? Vielleicht braucht er unsere Hilfe.«
Jezza kicherte. »Ich glaube, unser aufgeblähter Freund hat lediglich mein Gewächshaus entdeckt. Kein Grund zur Beunruhigung.«
Shiela starrte ihn an. »Woher weißt du …?«
Grinsend winkte er sie mit seinen Nikotinfingern zu sich. »Komm und wirf einen Blick darauf. Schau, was wir gefunden haben.«
»Ich will’s nicht sehen«, erwiderte sie. »Ich hau jetzt ab!«
Jezza griff ins Innere der Kiste. »Hab keine Angst, meine Süße, mein Augenstern.«
Obwohl sie es besser wusste, verharrte Shiela. Jezza war schon immer nicht ganz normal gewesen und hatte sich nie so verhalten, wie es die Gesellschaft von ihm erwartete. Das war nur einer der Gründe, weshalb sie ihn so attraktiv fand. Aber das hier war etwas anderes. Diese Seite an ihm war Shiela völlig fremd.
Jetzt stand er vor ihr und bestaunte etwas in seinen Händen. Er riss die Augen auf und hielt den Atem an.
»Sieh dir das an«, flüsterte er ehrfurchtsvoll. »Und in der Kiste ist noch so viel mehr davon! Jede einzelne ist bis oben hin voll damit.«
Shiela richtete den Blick auf das Ding in seinen Händen und hätte vor Überraschung und Erleichterung beinahe laut losgelacht.
»Aber das ist ja nur ein Buch!«, rief sie aus. »Nur ein … ein Märchenbuch für Kinder!«
Das Grinsen in Jezzas Gesicht wurde breiter, während er es ihr reichte. Im grellen Licht der nackten Glühbirne konnte sie sehen, dass das Buch alt, doch noch nicht gelesen worden war. Der Schutzumschlag war in tadellosem Zustand, abgesehen von ein paar wenigen Stockflecken. Die Illustration darauf war völlig aus der Mode, doch sie hatte einen gewissen altmodischen Charme. Shiela las den Titel laut vor.
»Dancing Jacks.«
Jezza schmiegte sein Gesicht an ihres. »Ganz genau«, flüsterte er und hauchte ihr Fäulnis und Nässe entgegen, während er sie anlächelte. »Es ist nur ein Buch, meine schöne Shiela … bella.«
3
Und dann: diese ungehobelten Gesellen, die den ganzen Hof mit ihren Flausen in Atem halten. Welch Betragen sie zur Schau stellen, ist wahrlich zu berichten wert! Die Herzdame, eine nimmersatte Verführerin – verdreht den Burschen wie den Mädeln gleichermaßen die Köpfe. Nur der Karobube giert nach glänzenderen Späßen – Gold und Edelsteine bevorzugt er als seine Schätze. Die Pikdame ist kalt und verschlagen – schmiedet heimtückische Pläne und stößt dich mir nichts, dir nichts ins Verderben. Und dann noch der Kreuzbube, geliebt von allen Tieren – erhebt euch alle, lauter Gesang erschalle: Vier Dancing Jacks sind eingetreten!
»Setzt euch und kommt zur Ruhe«, sagte Martin Baxter laut genug, um trotz des Geräuschpegels, den dreißig ins Klassenzimmer strömende Kinder verursachten, gehört zu werden und doch war es kein Schreien und kostete ihn nur wenig Anstrengung. »Zieht die
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