Dancing Jax - 01 - Auftakt
entschieden, dass er den knackigsten Hintern der ganzen Schule hatte.
»Conor!«, sagte Martin. »Wo warst du? Warum kommst du so spät?«
Der Junge sah ihn frech an. »Ich musste noch Mr Hitchin helfen, Sir.«
»Dann hast du dafür ja sicher auch eine Bestätigung von ihm bekommen.«
»Nein, Sir.«
»Na schön, damit hast du dir soeben ein bisschen Extraaufenthalt für heute Nachmittag verdient.«
»Das geht nicht, ich muss zum Fußball.«
»Conor, du bist schon lange genug an dieser Schule, um zu wissen, wie der Hase läuft. Wenn du ohne triftigen Grund zu spät in meinen Unterricht kommst, heißt das automatisch Nachsitzen.«
»Aber wir haben ein Spiel!«
»Wenn dir das wirklich so wichtig wäre, hättest du darauf geachtet, pünktlich hier aufzuschlagen und nicht nachsitzen zu müssen.«
»Das ist unfair!«
»Verzeihung, kennen wir uns? Jetzt setz dich.«
Conor ließ sich auf seinen Stuhl plumpsen und zeigte Mr Baxter den Stinkefinger, nachdem der sich umgedreht hatte. Dann blickte er sich um, um zu sehen, ob einer seiner Klassenkameraden ihn dabei beobachtet hatte. Sandra Dixon sah ihn angewidert an und er warf ihr einen Kussmund zu, woraufhin sie sich schnell abwandte.
Gerade rechtzeitig blickte Martin Baxter hoch, um die kleine Szene mitzubekommen. Schüler wie Sandra taten ihm aufrichtig leid – solche, die Freude am Unterricht hatten und sich wirklich Mühe gaben. Selbst solche, die weniger begabt waren, aber dennoch ihr Möglichstes versuchten, waren eine Freude für Lehrer. Doch leider stieg die Anzahl an Nichtsnutzen und Jugendlichen, die sich absichtlich dumm stellten und vorsätzlich den Unterricht störten, Jahr für Jahr, sodass sie das Niveau der ganzen Klasse nach unten zogen. Inzwischen war es ihnen als Lehrern untersagt worden, das Wort Versagen zu benutzen, stattdessen musste nun die Umschreibung verzögerter Erfolg gebraucht werden. Martin hatte sich darüber lustig gemacht – einige dieser Kids würden für den Rest ihres Lebens ein verzögerter Erfolg sein.
Sein Beruf hatte sich verändert, seit er damals, vor über zwanzig Jahren, angefangen hatte. Heutzutage erwartete man von ihm, außerdem Polizist und Sozialarbeiter zu sein, allerdings weigerte er sich, auch noch ein Entertainer im Clownskostüm wie gewisse andere Kollegen zu werden. Diese anderen hatten den Respekt der Schüler längst verloren und mussten nun jede Stunde eine Show hinlegen, um nicht deren Aufmerksamkeit zu verlieren. Als Folge davon fand nur noch wenig richtiger Unterricht statt. Doch soweit es Martin betraf, waren die Kids hier, um etwas zu lernen, was – zumindest seiner Ansicht nach – bedeutete, es ihnen auf die altmodische Art einzutrichtern. Ihm war egal, ob ihnen die Wiederholungen zum Hals raushingen – diese Methode funktionierte immerhin. Zumindest bei denen, die zuhörten und sich am Geschehen beteiligten.
»Okay, schlagt eure Bücher auf! Heute beschäftigen wir uns mit den Geheimnissen des Dreiecks – ihr kleinen Glückspilze!«
Das zu erwartende Aufstöhnen aus den Reihen der üblichen Verdächtigen ignorierte er geflissentlich.
»Sir, ich hab keinen Stift dabei«, nuschelte Keeley.
»Ich habe dich gehört«, antwortete er mit seinem bisher breitesten Lächeln, »und ich lege es ab unter der Kategorie: nicht mein Problem.«
Der Rest des Tages ging ohne besondere Vorkommnisse vorüber. Zwei Unterrichtseinheiten mit den achten und siebten Klassen liefen wie geschmiert. Das waren meistens die besten Jahrgänge – gelangweilter Zynismus und rückgratlose Gleichgültigkeit hatten noch nicht um sich gegriffen – und trotzdem: Kinder waren einfach nicht mehr das, was sie mal waren. Man bläute den Lehrern immer wieder ein, auf Syndrome von Konzentrationsstörungen zu achten – eine Krankheit, die Martin gerne Faulbis-zum-Gehtnichtmehr nannte. Diese Schüler, die sich angeblich nur begrenzt konzentrieren konnten, hatten absolut keine Probleme damit, sich stundenlang mit ihrer Playstation zu beschäftigen. Vor dreißig Jahren wären sie mit dieser fadenscheinigen Entschuldigung in der Schule nicht durchgekommen, doch inzwischen waren sie auf diese »Konzentrationsstörungen« aufmerksam geworden und nutzten das schamlos zu ihren Gunsten aus – allerdings nicht in Martins Klassen.
Nach dem Nachsitzen ging Martin Baxter den gebohnerten Flur hinunter zum Lehrerzimmer, um sich vor dem Heimweg noch einen dringend benötigten Kaffee zu machen. Zum x-ten Mal an diesem Tag wünschte er sich,
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