Dancing Jax - 01 - Auftakt
Lichtschalter?«, fragte sie. »Und warum ist der Strom nicht abgestellt?«
Jezza stieg bereits die Treppe hinab. In ihm wühlte eine merkwürdige, kaum zu bändigende Vorfreude. Es war, als wüsste er, was dort in der Tiefe lag, als wüsste er ganz genau, was sie erwartete.
»Da unten wimmelt es bestimmt von Ratten!«, jammerte sie. »Ich komm nicht mit.«
Er warf ihr einen Blick zu – im Schein der Lampe glitzerten seine Augen wie die einer Eule.
»Dort unten gibt es keine Ratten«, versicherte er ihr voller Überzeugung. »Sie sind nicht geduldet.«
Shiela sah zu, wie seine Gestalt immer weiter die Treppe hinunterhüpfte. »Komm zurück!«, rief sie. »Jezza!«
Er verschwand hinter einer Biegung und sie wünschte, sie hätte vorhin härter zugetreten.
»Jezza …?«
Sie war allein.
»Tommo, Miller …«, hauchte sie, doch ihre Stimme versagte, und wo die anderen auch sein mochten, sie konnten sie nicht hören.
Shiela warf der offen stehenden Eingangstür einen besorgten Blick zu. Das Sonnenlicht war schwächer geworden und die Welt da draußen wirkte bereits grau. Eine starke Brise brachte die Bäume zum Schwanken.
»Steh mir bei, steh mir bei«, flüsterte sie panisch. Alles schien auf einmal bedrohlich. Shiela musste an die Zeitschrift denken und daran, was dem kleinen Jungen zugestoßen war, von dem sie vor vielen Jahren gehört hatte. Ein plötzlicher Windstoß knallte die Vordertür gegen die Wand. Sie prallte ab und fiel mit einem lauten Krachen ins Schloss. Mit einem Mal wurde die Eingangshalle von der Dunkelheit verschluckt.
Mit einem entsetzten Schrei hastete Shiela die Treppe hinunter. »Jezza!«, brüllte sie. »Jezza!«
Sie nahm immer zwei Stufen auf einmal und wirbelte schließlich außer Atem herum. Der Keller war ein Gewölbe aus grauem Stein, in dem kleine, zellenartige Räume lagen, ein jeder von einer einzelnen Glühbirne erleuchtet, die von der Mitte der gewölbten Decke hing.
Das erste Zimmer war leer, doch ein Luftzug versetzte die Lampe in Schwingung, sodass Shiela von grauenhaften tanzenden Schatten umgeben war.
»Jezza!«, rief sie erneut. »Verflucht – was zum Teufel mach ich hier eigentlich? Du solltest dringend mal zum Psychiater gehen, du durchgeknallte, kleine …« Doch ihr fiel kein Wort ein, das die Größe ihrer eigenen Dummheit zur Genüge beschrieb. Sie fröstelte und doch bemerkte sie, dass dies hier unten, trotz der Kälte, der einzige Ort im ganzen Haus war, der nicht von Feuchtigkeit regiert wurde.
»Jezza!«
Keine Antwort.
Vorsichtig bewegte sie sich durch den Raum bis zum nächsten Torbogen. Auch das Gewölbe dahinter war leer, abgesehen von einigen seltsamen Kreidezeichnungen an den Wänden, die jedoch in keiner Weise dem kindlichen Gekritzel von oben glichen. Diese hier ergaben ein kompliziertes geometrisches Muster – ineinander verschränkte Kreise und Vierecke, die von lateinischen Wörtern aus reich verzierten Buchstaben umgeben waren. Shiela starrte sie an und fühlte sich immer unwohler in ihrer Haut. Sie hatte zugesehen, wie Howie – ein weiterer von Jezzas Anhängern – ganz ähnliche magische Symbole auf die Rücken zahlreicher Heavy-Metal-Fans und sich in Selbstmitleid suhlenden Emofreaks tätowiert hatte.
»Wundervoll, nicht wahr?«, flüsterte Jezza ihr ins Ohr.
Shiela zuckte zusammen und haute ihm eine runter. »Bring mich auf der Stelle zum Bus!«
»Warte, bis du das siehst«, entgegnete er und führte sie ins nächste Gewölbe.
»Ich hab genug gesehen!« Sie wollte sich losreißen.
»Nein, erst noch das hier«, sagte er in einem Ton, der keine Widerrede zuließ. »Komm schon, Kleines.«
Sie gingen in die dritte Kammer, die größer war als die beiden vorhergehenden. Jemand hatte drei breite konzentrische Kreise auf den Steinboden gemalt, in deren Zentrum sechs große Holzkisten standen.
»Was ist das denn?«, fragte Shiela.
»Der Jackpot, Mädchen. Der verfluchte Jackpot!«
»Aber was ist da drin?«
Mit einem triumphierenden Lachen sprang Jezza in die Kreise. Auf einer der Kisten lag ein rostiges Brecheisen, das er nun mit beiden Händen packte.
»Lass sie uns öffnen und es herausfinden!«, johlte er.
»Nein«, widersprach Shiela. »Lass das. Da drin könnte alles Mögliche sein, Jezza. Lass es bleiben!«
Der Mann nahm keinerlei Notiz von ihr und war schon dabei, einen der Deckel aufzustemmen. Die alten Nägel kreischten, als das Holz splitterte. Shiela blickte sich um und verfluchte sich selbst dafür, dass sie jeden
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