Dancing Jax - 02 - Zwischenspiel
klopfte ihm mit ihrer perlenbesetzen Handtasche gegen die Brust.
Der junge Mann bot ihr seinen Arm an und sie hakte sich unter.
»Lass uns losziehen und die Großen und Bösen der Welt kennenlernen. Heute haben wir es mit dem absoluten Gipfel der gesellschaftlichen Leiter zu tun. Sogar Prinzessinnen und Premierminister sind schon daran gescheitert, zu den Stelldicheins der Crème de la Crème beim abscheulichen Austerly eingeladen zu werden. Er schert sich einen Dreck darum, wen er beleidigt.«
»Leitern haben keine Gipfel, du Esel«, tadelte sie ihn. »Und wie, mein Bester, hast du dann eine Einladung ergaunern können? Das hast du mir noch immer nicht verraten.«
Simon tippte sich statt einer Antwort an die Nase und da sie inzwischen vor der offenen Haustür standen, konnte Estelle ihn nicht weiter drängen.
Ein stämmiger Araber mit einem Fes auf dem Kopf begrüßte sie mürrisch mit einem »Salam« und bat sie schweigend, einzutreten.
Estelle hob die nachgezeichneten Augenbrauen. Mr Fellows’ Vorliebe für das Exotische war weithin bekannt und diese Empfangshalle enttäuschte diesbezüglich wahrlich nicht. An den holzgetäfelten Wänden hingen Häute und Köpfe von Tieren, die Estelle bisher nur im Zoo bewundert hatte, und um das Treppengeländer hatte man kunstvoll einen Python geschlungen. Estelle gab einen verzückten Laut von sich, als das Tier den Kopf hob und somit bewies, dass es lebendig war.
Das schwere Aroma von Weihrauch lag in der Luft, verströmt von einem riesigen Messingbrenner, der in der Mitte des Raumes stand. Eine gewaltige marokkanische Lampe, besetzt mit Hunderten von Buntglasscherben und nachträglich mit einer elektrischen Glühbirne ausgestattet, hing von der Decke und tauchte das Zimmer in leuchtende Kristallfarben. Zwei kleine Inderjungen traten aus einer Ecke auf sie zu und kredenzten glitzernde Cocktails und Champagnerflöten auf silbernen Tabletts.
Simon führte Estelle durch die Halle auf den angenehmen Klang von lebhaftem Geplauder und Jazz zu.
»Dieses Aufgebot kann sich sehen lassen«, wisperte sie ihm zu. »Stimmt es, dass er der Anführer verschiedener Kulte ist und der König der Hexen? Also, ich hoffe inständig, das stimmt – es wäre einfach zu grandios! Wie grässlich langweilig wäre es doch, wenn das alles nur heiße Luft wäre. Ich habe gehört, dass niemand solch intensive Augen hat wie er. Mithilfe von einem Blick hat er die drei Rashton-Schwestern entjungfert und sich dann ihrer Mutter gewidmet – in nur einer Nacht! Wie vorzüglich dekadent. Selbstverständlich würde es sich keiner träumen lassen, je wieder ein Wort mit ihnen zu wechseln. Sie waren ruiniert und mussten nach Italien auswandern. Außer Mussolini wollte sie keiner haben!«
Sie erreichten eine Zwischentür, vor der eine Chinesin in einem engen schwarzen, mit blutroten Drachen verzierten Seidenkleid stand und sie mit einem eisigen Lächeln willkommen hieß. Sie drehte den Türknauf, als würde sie einem Hühnchen den Hals umdrehen, fand Estelle und lief schnell an ihr vorbei, sobald die Frau sie hineinwinkte.
Die Wände des riesigen, hell erleuchteten Raumes, in den sie nun traten, waren gesäumt von Bücherregalen. Wie zwei eingefangene Sonnen schwebten über ihren Köpfen zwei gigantische Kristalllüster, deren Licht von zahllosen Spiegeln überall im Raum reflektiert wurde. Zigarren und Zigaretten in langen Haltern generierten über den geladenen Gästen eine Dunstwolke.
Es war eine erlesene Gesellschaft. Nur ungefähr fünfzig Leute waren anwesend, aber diese waren von solchem gesellschaftlichen Format, dass es die geringe Anzahl mit Leichtigkeit wettmachte. Estelle erkannte mehrere Lords und eine Gräfin, ebenso wie eine Handvoll Geheimräte und einen Industriemogul. Am ausladenden Büffet tat sich ein Hauptdarsteller des Londoner Theaters gerade an den Austern gütlich, während ein rotgesichtiger Botschafter aus dem Ausland sich anscheinend köstlich dabei amüsierte, den Lachs niederzustarren. Die Frauen waren so opulent gekleidet, dass Estelles Abendkleid daneben regelrecht schäbig wirkte. Diamanten oder Smaragde funkelten an jedem Hals, baumelten wie überreife Früchte von Ohrläppchen und machten Handgelenke und Finger schwer.
»Tja«, murmelte Simon und kippte seinen Cocktail mit geübter Geste hinunter. »Ich würde mal sagen, wir sind die bucklige Verwandtschaft hier, altes Haus. Hier ist das Beste vom Besten versammelt. Allein mit den Titeln dieser Leute könnte ich die
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