Dancing Jax - 02 - Zwischenspiel
deinen Schampus, deine glitzernden Kleidchen und reichlich Pomp auskommen.«
»Du Scheusal!«, nörgelte sie schmollend. »Außerdem hast du meine Frage nicht beantwortet.«
»Stimmt, ich bin ein Scheusal. Aber bald wirst du ein noch viel größeres und wilderes kennenlernen – wir sind nämlich da.«
Das pfauenblaue Automobil fuhr nach rechts auf eine lange von Bäumen und brennenden Fackeln gesäumte Zufahrtsstraße, die leicht anstieg.
Estelle lehnte sich ungeduldig vor und konnte es kaum erwarten, einen ersten Blick auf das Haus zu erhaschen, von dem sie schon so viel gehört hatte. In den letzten Jahren war Fellows End berühmt und berüchtigt geworden. Wenn auch nur die Hälfte von dem, was die Leute hinter vorgehaltener Hand tratschten, stimmte, wäre ein Besuch in der schnöden Provinz definitiv ein oder zwei Tage wert.
Während sie den Weg hinaufrollten, kam ihnen ein Leviathan von einem Rolls Royce entgegen. Simon schwenkte zur Seite, um ihn vorüberdonnern zu lassen.
»Hast du gesehen, wer das war?«, stieß er aus. »Der Nazikerl Ribbentrop höchstpersönlich.«
»Dieser Deutsche, der durch die Stadt zieht und jeden damit anödet, wie großartig Mr Hitler ist? Papa sagt, er sei ein aufdringlicher Emporkömmling, und sobald die Leute ihn satthaben und er nicht mehr als Exot gilt, wird er nicht mehr zu solch vielen prunkvollen Feiern eingeladen. Dass der hier ist!«
»Ich habe dir doch gesagt, dass AF Gott und die Welt kennt. Ich frage mich nur, warum er nicht zum Tanztee bleibt. Schwingen Nazis grundsätzlich nicht die Hüfte? Oder sind sie inzwischen einfach zu steif zum Tanzen, wegen ihres Stechschritts?«
Die Neunzehnjährige an seiner Seite hörte ihm nicht zu. Mit offenem Mund starrte sie das Familienanwesen von Austerly Fellows an, das nun in Sicht kam. »Oh, wie ungeheuer gruselig!«, rief Estelle mit einer Mischung aus Abscheu und Faszination.
»Ja, für meinen Geschmack ein bisschen zu sehr Edgar Allan Poe, aber es kann ja nicht jeder mit dem modernen Chic des Savoys glänzen. Ich finde, es hat … einen gewissen, einzigartigen Charme.«
»Der perfekte Schauplatz an Halloween!«
Als sie in den Schatten des riesigen, hässlichen Gebäudes eintauchten, fröstelte Estelle.
In der gekiesten Einfahrt parkten schon unzählige prächtige Autos. Simon quetschte seinen Morris in eine Lücke neben einen Bentley. Mit einem anerkennenden Pfeifen auf den Lippen hüpfte er aus dem Wagen und bewunderte die piekfeinen Schlitten. Heute würden sie es mit einer äußerst erlesenen Gesellschaft zu tun haben.
Estelle blieb sitzen und betrachtete das abschreckende Haus. Offenbar hatte man versucht, es mithilfe einiger Lampions entlang der Veranda heiterer erscheinen zu lassen, allerdings wirkte der ungeschmückte Rest des düsteren Klotzes dadurch nur noch unfreundlicher. »Hier gefällt es mir nicht«, nörgelte Estelle. »Ich will zurück.«
Simon zog sich seine weiße Fliege zurecht. »Du, meine Liebe, mein dummes Gänschen, bist die Launenhaftigkeit in Person. Ihr Möchtegernabenteurer seid doch alle gleich. Ihr meint, euch nach Aufregung zu sehnen, um euren gähnend langweiligen Alltag aufzupeppen, aber eigentlich seid ihr viel zu konservativ, um tatsächlich etwas zu wagen. Du, mein Schätzchen, bist ein Schaf im Wolfspelz. Bleib ruhig im Auto, wenn du willst, aber ich gehe erst, wenn ich von AFs Alkohol gekostet habe. Mein Hals ist so trocken wie das Innenleben von König Tuts Mumie. Ich lechze förmlich nach einem Drink – oder vier. Außerdem muss ich an meine Kolumne denken. Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen, wer heute hier ist.«
»Du bist so ein grässlicher Stinker!«, beschwerte Estelle sich.
Simon verbeugte sich galant und sie konnte nicht anders, als darüber zu staunen, wie gut er in seinem Abendanzug und mit der Pomade im Haar aussah.
»Na schön, dann öffne mir wenigstens die Tür, du Schuft!«
Simon gehorchte und schlenderte um den Wagen herum.
Estelle kletterte graziös vom Beifahrersitz. Ihre schlanke Figur steckte in einem eng anliegenden Abendkleid aus silberner Seide und sie ließ sich mehrere Minuten Zeit, um den Chiffonschal behutsam von ihrem Kopf zu wickeln und anschließend um ihre nackten Schultern zu drapieren. Die beiden tauschten neckende Blicke aus. Sie wussten nur zu gut, dass der Glanz dieser Gesellschaft aufgrund ihrer Ankunft ins Unermessliche gestiegen war.
»Aber kipp dir nicht zu viele Manhattans hinter die Binde!«, schärfte Estelle Simon ein und
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