Dancing Jax - 02 - Zwischenspiel
»Du läufst nach links, ich nach rechts«, gab er vor. »Hol die Kids hier raus. Schleif sie an den Ohren, wenn’s sein muss. Wir müssen dieses bescheuerte Spiel beenden.«
Alasdair konnte nur zustimmen und stürzte davon.
Lee starrte die düsteren, in Schatten gehüllten Bäume an und bemühte sich, den Gedanken an den Schrecken von letzter Nacht zu verdrängen. Irgendwo dort drüben war das Essen, das er verstaut hatte – an dem Ort, wo er dem grauenhaften Scheusal begegnet war.
»Lee Jules Sherlon Charles«, schimpfte er mit sich. »Zieh gefälligst nicht den Schwanz ein und steh deinen Mann. Schieb deinen schlotternden Arsch da rein und zieh das durch.« Mit entschlossener Miene rannte er los.
Alasdair drang immer tiefer in den Wald vor. Die Hände wie einen Trichter an den Mund gelegt, rief er nach den Jungs aus seiner Hütte, dann schrie er nach Jody, Maggie, Charm und Marcus.
Plötzlich brüllte jemand über ihm warnend: »Lauf! Du musst dich verstecken. Gleich kommt ein Werwolf!«
Alasdair trat erschrocken einen Schritt zurück. »Wer bist du?«
Weit oben im nächsten Baum bemerkte er Bewegung. Dann entdeckte er eine Gestalt mit einem Umhang, die auf den Ästen herumkletterte.
»Komm runter!«, schrie er. »Sofort!«
»Ich halte Ausschau«, antwortete die junge Stimme. »Wenn ich das wilde Biest sehe, werde ich es bekämpfen und alle retten.«
»Wir haben das Spiel abgebrochen. Komm jetzt runter!«
Blätter raschelten, dann hörte man, wie Stiefel über Rinde rutschten, und ein Junge kam in Sicht. Im nächsten Moment fiel er. Eine Faust auf den Boden gestemmt, kam er auf einem Knie auf, das Gesicht nach unten gerichtet. Alasdair hatte die exakt gleiche Pose schon in Dutzenden von Superheldenfilmen gesehen. Er hatte sie schon immer dämlich und aufgesetzt gefunden, aber hier und jetzt kam es ihm einfach nur bekloppt vor.
Dann hob der Kleine den Kopf. Seine Miene war gefasst und entschlossen. Alasdair erkannte ihn, es war der Junge, der versucht hatte, die Rauferei zwischen Lee und Marcus zu schlichten.
»Ach du bist das«, sagte er. »Du darfst jetzt nirgends mehr raufklettern, hörst du? Lauf einfach zurück an den Waldrand und warte da. Sobald ich die anderen finde, schicke ich sie alle dorthin.«
»Ich werde dich bei deiner Suche unterstützen«, erklärte Jim Parker, stand auf und stemmte die Hände in die Hüfte.
»Nee, lass mal. Ich komm schon zurecht.«
»Ha!« Jim lachte. »Du glaubst, dass ich dir nicht helfen kann, weil ich nur ein Kind bin – richtig?«
»Hey, keine Debatten. Kannst du nicht einfach machen, worum ich dich bitte?«
Jim verschränkte die Arme und kam näher. »Du irrst dich, verstehst du?« Er senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Ich bin kein normaler Mensch. Ich bin viel mehr.«
Alasdair hatte keine Zeit für diesen durch die Drogen hervorgerufenen Unsinn. Kopfschüttelnd wollte er weitergehen, doch Jim sprang ihm in den Weg.
»Es stimmt! Ich habe ein Geheimnis. Eigentlich sollte ich’s keinem verraten, aber ich glaube, dir kann ich vertrauen.«
»Kein Interesse«, erwiderte der Schotte barsch. »Beweg dich einfach hier raus und warte am Waldrand!«
Jim packte ihn an den Armen. »Ich bin anders als die anderen! Das habe ich schon eine ganze Weile vermutet, aber jetzt bin ich mir sicher. Dieses Wochenende wird es geschehen. Ich werde mich verändern. Ich fühl mich schon viel stärker, es hat bestimmt schon angefangen.«
»Verfluchte Scheiße!«, grummelte Alasdair und riss sich los. »Verschon mich mit diesem Jax-Mist.«
»Nein, das mein ich nicht! Das Buch hat keine Macht über mich – ich bin was Besonderes.«
»Ja, sind wir beide, Knirps.«
»Vorher hab ich ja selber nicht dran geglaubt«, fuhr Jim fort. »Aber alles andere macht keinen Sinn. Verstehst du denn nicht? Wenn das Buch so große Macht hat, dann gilt das auch für andere Sachen. Auch andere unglaubliche Dinge sind möglich – sie können wahr werden. Schau, ich zeig’s dir, aber du darfst keinem was verraten!«
Bevor Alasdair etwas entgegnen konnte, hatte der Junge sich das Hemd vom Leib gerissen, sodass seine nackte Brust zum Vorschein kam.
»Guter Gott!«, schrie Alasdair vor Entsetzen. »Wer hat dir das angetan?«
Trotz des schwächer werdenden Lichts sah er die hässliche blasse Narbe auf Jims Haut, die ein großes J bildete.
»Haben deine Eltern das gemacht? Dachten sie, es würde helfen, wenn sie dir den Anfangsbuchstaben von Jax einbrennen, weil das Buch alleine nicht
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