Dancing Jax - 02 - Zwischenspiel
verzweifelt. »Ich hab niemanden, keine Freunde, und meine Familie will nichts von mir wissen. Ich hab absolut gar nichts. Und ich halte das nicht mehr aus.«
»Oh, Schätzchen«, sagte sie sanft. »Komm her.« Sie zog ihn an sich, schob die mit Bläschen übersäte Hand von seinem Gesicht und küsste ihn. Und Marcus erwiderte den Kuss.
Angsterfüllt war Christina durch den Wald gewandert, um nach Jody zu suchen. Endlich fand sie sie, noch immer am Fuß der Eiche, noch immer gefangen in dem Maibowle-Albtraum. Die Siebenjährige rannte zu ihr und schlang die Arme um sie.
»Ist ja gut«, wisperte sie und streichelte Jody übers Haar. »Uns passiert nichts. Hab keine Angst.«
Doch Jody konnte sie nicht hören.
Spencer fegte durchs Unterholz. Er hatte unzählige Bücher über den Wilden Westen gelesen und dieses Wissen schürte nun die Auswirkungen der Droge. Inzwischen war er davon überzeugt, der Kojote aus der Indianermythologie zu sein. Er war Akba Atatdia, der Alte Mann Kojote, der ohne Familie ist, der Erste Ankläger, der Lauschende Mond, der Schelmische Gott und Gestaltwandler, der die Milchstraße erschaffen hat.
Mit jeder Faser glaubte er, dieses Wesen zu sein. Wenn er auf einen der anderen stieß, würde er sie nicht beißen. Der Junge nahm die Brille von der Nase. Akba Atatdia war ein mächtiger Angeber – auf Feierlichkeiten führte er immer seinen Lieblingstrick vor und jonglierte mit seinen Augäpfeln. Genau das würde Spencer auch machen.
Hoch in den Wipfeln hatte der wahre Räuber beobachtet, wie die jungen Menschen in Angst, Panik, Begeisterung, Lust und Paranoia durch den Wald schossen. Schließlich traf die brodelnde Wolke aus dunklem Schimmel ihre Wahl. Die schäumende schwarze Masse floss durch die Äste und tropfte auf den Kopf des Auserwählten.
Ein Schrei, grässlicher als alle bisherigen, erklang unter den Bäumen. In all dem Chaos jedoch bemerkte niemand, was es damit auf sich hatte. Doch in diesem Augenblick starb einer dieser jungen Menschen, als der Splitter von Austerly Fellows Geist die Kontrolle über seinen Körper übernahm.
In seiner Hütte überlegte Jangler gerade, ob er die leidigen Schuhe endlich ausziehen sollte, als die schwungvolle Melodie seines Handyklingeltons erschallte.
»Hallo?«, sagte er, hielt sich das Telefon ans Ohr und verbog dabei eins seiner gewachsten Schnurrbartenden.
»Mein lieber Lockpick«, ertönte die Stimme des Ismus aus dem Hörer. »Es ist vollbracht.«
Mit einem strahlenden Grinsen klopfte der alte Mann mit der freien Hand auf den Schreibtisch. »Vortrefflich, Mylord! Ich verspreche, ich werde nicht versuchen herauszufinden, in wem Ihr Euch versteckt haltet.«
»Du solltest nun los und alle zurückholen, bevor sie sich noch etwas antun. Wie die Tölpel stolpern sie durch die Gegend! Sie sollen gleich schlafen gehen. Morgen müssen sie frisch und ausgeruht sein.«
»Natürlich. Soll ich die Brückengeräte abschalten?«
»Aber warum das denn? Werd bloß nicht weich, Jangler. Wir wollen doch nicht vergessen, zu welchem Zweck diese dreckigen Abtrünnigen hier sind! Die Maibowle der Herzkönigin ist der perfekte Treibstoff, die abscheulichsten, finstersten Träume hervorzurufen.«
»Selbstverständlich, Mylord. Ist für morgen alles vorbereitet?«
»Zerbrich dir darüber nicht den Kopf. Heute bin ich in das Haus in Felixstowe zurückgekehrt und habe gewisse Vorkehrungen getroffen. Der morgige Tag wird … ein wahres Ereignis.«
»Hört, hört! Da bin ich mir sicher!«
»Und wie geht es unseren neuen Freunden? Haben sie sich schon eingelebt?«
»Sie werden ein wenig rastlos. In der Hütte eingesperrt zu sein gefällt ihnen nicht.«
Der Ismus gluckste. »Sie werden das Camp noch früh genug unsicher machen. Was macht da ein weiterer Tag?«
»Ganz recht.«
»Morgen früh um fünf wird ein Transporter eintreffen, um die Ankömmlinge von heute Nacht abzuholen.«
»Ich werde mich darum kümmern.«
»Mein treuer Jangler.«
»Euer ergebenster Diener.«
Der Ismus legte auf.
Der alte Mann richtete die Spitze seines gewachsten Bärtchens und entzündete dann eine Laterne, nahm eine Handglocke vom Tisch und ging nach draußen.
Vor dem Nachbarhaus verharrte er und klopfte leise ans Fenster. »Nicht mehr lange, Hauptmann.«
Aus dem Innern antworteten ihm dumpfes Knurren und Fauchen.
11
Jody erwachte mit höllischem Durst. Ihre Zunge fühlte sich pelzig an und klebte am Gaumen. Minutenlang starrte Jody an die Hüttendecke
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