Dangerzone
Sie reichten ihm sicher bis zum Kinn. Er hatte sie zusammengebunden. Deswegen konnte man jeden einzelnen weich geschnittenen Zug in seinem Gesicht genau erkennen. Weil er die Haare zusammengebunden hatte, hatte ich erst gedacht, er hätte kurze Haare. Er sah mit dem kleinen Zöpfchen, der braunen Haut, den vielen Muskeln und den strahlend weißen spitzen Zähnen sehr verwegen aus. Wie ein Aufreißer... mir fiel auf... das er das im wortwörtlichen Sinne auch war und erschauerte...
"Ich bin also kein bisschen Mensch?" fragte er. Dann nahm er plötzlich meine Hand. Seine Haut war wärmer als meine, aber nicht unangenehm. Er legte meine Finger auf seine Brust und drückte meine Handfläche dorthin wo sein Herz schlug. Es schlug mit meinem in einem Takt.
"Auch Tiere haben einen Herzschlag." Es kam schnell aus meinem Mund, weil ich seine glatte Haut nicht länger so berühren wollte. Er schüchterte mich mehr ein, als der Wolf in ihm. Ich zog die Hand weg, bevor ich mir die Finger verbrannte. Und das meinte ich auch wortwörtlich.
"Können Tiere etwa auch sprechen?" fragte er, stützte sich mit einem muskulösen Arm hinter mir am Baum ab und kam mir mit dem Gesicht nahe. Zu nahe. Eindeutig. Ich drückte mich in den Baum mit meinem Rücken. "Können... sie... ihren Trieben so gut widerstehen wie ich im Moment?" flüsterte er. Fragend schaute ich ihn an. Was für Triebe meinte er jetzt denn? Ich verlor mich kurzerhand in diesen funkelnden Augen, die direkt vor meinem Gesicht schwebten.
"Kannst du dich bitte..." ich schluckte hart an meinem stark pochenden Herzen vorbei. "Etwas entfernen?"
Er lachte laut und das brach den Bann, den er so eben um mich gesponnen hatte. Gnädigerweise rückte er von mir ab.
"Immer willst du mich los werden. Aber das wirst du nicht schaffen." Er drehte sich von mir weg und überblickte den Wald. Wir waren auf einem kleinen Hügel und hatten einen guten Ausblick auf das dichte grüne Blätterdach.
"Sag mir wieso. Es kann nicht nur an deinen Trieben liegen."
"Mein Rudel hat deinen einzigen Beschützer getötet." Sagte er plötzlich düster mit dem Rücken zu mir und mir verschlug es die Sprache. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Die Sehnen traten an seinen Unterarmen hervor.
Ich schluckte hart. "Bist du... der Anführer?"
"Nein. Ich tue aber trotzdem, was ich für richtig halte. Es sollte eigentlich die Aufgabe vom Alpha sein dich jetzt zu beschützen, aber er hat das Menschenfleisch einmal gekostet und will es wieder. Er ist jetzt regelrecht versessen darauf."
"Das Menschenfleisch... war mein Opa." Schoss es gequält aus mir heraus. Wie konnte er nur so über ihn sprechen?
Er drehte sich wieder zu mir herum, um in meinem Gesicht nach meinen Gefühlen zu suchen. Ich merkte, dass ich auch die Fäuste ballte und das ich schon wieder Tränen in den Augen hatte. Er war verwirrt, verstand die Gefühle in mir nicht. Er hatte wohl noch niemals jemanden verloren, der ihm wichtig war. Aber vielleicht können Tiere nicht so stark fühlen wie Menschen.
"Ich gehe jetzt zu Pan." Verkündete ich und marschierte an ihm vorbei. Er war sprachlos. Ich fühlte es hinter mir. Doch genauso wie als Wolf folgte er mir unauffällig und leise. Er tat gut daran Abstand zu mir zu halten. Mit seinen Worten hatte er mich verletzt, auch wenn er es nicht so gemeint hatte.
Ich ging den Hügel herab und war froh das ich mich darauf konzentrieren musste nicht hinzufallen. Der laubige Boden konnte auch allerhand Gefahren unter sich verbergen, deswegen machte ich jeden Schritt überlegt und hielt mich an den Bäumen fest, um mich zu stabilisieren.
Schweigend gingen wir so vor uns hin. Er tat gut daran nicht weiter mit mir reden zu wollen. Ich tat gut daran ihn nicht anzublicken. Er konnte wahrscheinlich nichts für seine unbedachte Aussage. Er hatte es nicht gesagt, um mir weh zu tun. Er wusste es einfach nur nicht besser. Und trotzdem fühlte ich mich wie am Anfang, als er eine Bestie für mich gewesen war. Was hatte sich auch schon daran geändert?
Er hat mich vor seinem Alpha beschützt... er hat mich in der Nacht mit seinem Körper gewärmt... er hat eine Riesenschlange getötet, um mich zu schützen... Er sieht es als seine Aufgabe an auf mich aufzupassen.
Nein, er war keine Bestie. Er war eben nur anders. Ich wusste nicht, ob ich damit klar kommen würde. Vielleicht wäre es doch besser, wenn ich allein weiter ging. Bald wäre ich sowieso beim Pan und seinen Schafen. Was, wenn er sich auf sie stürzen und
Weitere Kostenlose Bücher