Daniel Briester - Friedemann, A: Daniel Briester
deutlich, wie bei allen Möbeln, zu erkennen. Er setzte sich auf den Stuhl, öffnete die Schubladen, sah nach: Stifte, Schreibutensilien. Er holte einen Block heraus, las die Notizen, die sie sich wahrscheinlich in der Uni gemacht hatte. Nächstes Schubfach: Schlüsselanhänger, zwei kleine Plüschtiere, Kleinkram eines Mädchens.
„Sie war noch ein halbes Kind“, sagte er laut, schob das Schubfach wieder zu. Auf dem Schreibtisch lagen Bücher, wieder ein Bild von Volker. Daniel drehte sich mit dem Stuhl, sah zu dem Regal: Bücher, Kitsch, drei Gläser, nur wenige Dinge. In einem großen Glas lagen Ein-Pfennig-Stücke und er lächelte vor sich hin. Das hatte seine Frau damals auch gemacht; Pfennige für die Brautschuhe gesammelt. Gleich verschwand das Lächeln wieder und er verdrängte die Gedanken an sie. Er schaute nach den Titeln auf Büchern, CDs. Sehr romantische Musik, aber einiges klassisch.
Er stand auf, inspizierte die Küche. Sehr wenig Geschirr in zwei Regalen. Tassen, Teller, verschiedenes Design. Man sah, dass es günstig auf dem Flohmarkt oder irgendwo als Sonderangebot gekauft war. Die Wohnung war zwar mit wenigen Mitteln eingerichtet, aber wirkte selbst damit irgendwie gemütlich.
Im Flur standen vier Paar Schuhe für Sommer und Winter, hingen zwei Jacken, ein Poster eines Sonnenunterganges.
Er verließ die Wohnung, schloss ab, befestigte das Siegel, als sich die Tür der Nachbarwohnung öffnete.
„Was machen Sie da?“, fragte ihn eine etwa vierzigjährige Frau mit Lockenwicklern im Haar. Sie trug einen alten Morgenrock mit Blumen- muster und er fragte sich, wie man so herumlaufen konnte. Kaffeegeruch gemischt mit Zigarettenrauch drang aus der Wohnung.
Er zeigte seinen Ausweis. „Ich habe nur noch einmal nachgesehen.“
„Ach, das ist ja so schrecklich. Haben Sie den Mörder gefunden? Der Junge, ihr Freund, war es aber nicht.“
„Noch nicht. Kannten Sie die Tote näher?“
„Sie war so ein liebes, ruhiges Kind. So ordentlich, fleißig, immer so hilfsbereit und gut gelaunt.“
Daniel sah sie an, wartete. Ein lang erprobtes Schema. Man musste den Leuten Zeit geben, ihnen vermitteln, dass man ihnen zuhörte und ihnen Vertrauen einflössen.
„Dabei war sie so glücklich, als sie den Jungen kennen lernte. Sie war davor immer viel allein gewesen, ist selten weggegangen. Wir haben manchmal am Samstagnachmittag zusammen Kaffee getrunken.“
„Hatte sie öfter Besuch?“
„Nur ihren Freund und das junge Mädchen, aber das habe ich Ihren Kollegen schon erzählt. Ach ja, der Bruder war öfter da. “
„Sonst keine Männer und woher wissen Sie, dass es der Bruder war?“
Jetzt sah sie ihn empört an. „Aber, Herr Kommissar, so eine war sie nicht. Eher schüchtern, zurückhaltend. Der Bruder hat sich vorgestellt, außerdem sahen sie sich sehr ähnlich, genau wie der Vater der beiden. Alle sehr höflich. Der Vater hat mich am Anfang gebeten, ein bisschen auf seine Tochter aufzupassen.“
„War die Schwester auch hier?“
„Sie meinen die von ihrem Freund? Sie hatte nämlich keine.“
„Ja, diese?“
„Eine hochnäsige Person. Sie hat den jungen Mann einmal abgeholt. Einen Sonntag kam sie, aber da ist sie allein weggefahren. Sie muss wütend gewesen sein, weil sie die Tür geknallt hat. Eine aufdringliche Person eben und immer so laut. Er war da anders. So höflich und immer freundlich. Er hat immer Sachen zum Essen mitgebracht.“
„Hat Frau Gallert erwähnt, dass sie belästigt wird oder dergleichen?“
„Nein, aber das haben Ihre Kollegen bereits gefragt.“
„Danke für die Auskünfte.“ Er verabschiedete sich.
„Herr Kommissar, warten Sie.“ Daniel blieb auf der Treppe stehen, sah sie an. „Diese Schwester war allein hier, bei dem Mädchen, zweimal.“
Er stieg die vier Stufen wieder zurück, blickte sie fragend an.
„Ungefähr vor zwei Wochen. Ich kam vom Einkaufen. Das war am späten Nachmittag, da parkte sie gerade ein und eilte vor mir die Treppe hoch, schubste mich beiseite.“ Sie guckte ihn so entrüstet an, als wenn er es gewesen wäre. „Eben sehr unhöflich. Ich habe gehört, dass sie sich stritten. Die Frau schrie ja immer so herum, auch wenn sie den Bruder abgeholt hat, aber um was es sich drehte, weiß ich nicht. Dann habe ich, kurz bevor sie ermordet wurde, zweimal das Auto der Frau gesehen. Wissen Sie, so einen komischen Wagen. Der fällt sofort auf. Die junge Frau Dilmer hat mir erzählt, dass sie an dem einen Nachmittag entlang gerast sei. Dabei spielen überall
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