Daniel Taylor und das dunkle Erbe
»Rate mal.«
»Keine Ahnung!« Welcher Job könnte zu ihm passen? Fotomodel? Bei diesem Gedanken erhitzte sich ihr Gesicht.
»Vielleicht Computerspiele testen oder selbst welche entwickeln«, sagte er und kickte einen weiteren Stein vom Weg.
Sie lachte. »Klar, was sonst. Ich wette, das könntest du sogar besonders gut.« Musste man dazu studieren? Würden sich ihre Wege trennen? Vielleicht konnte er von zu Hause aus arbeiten?
Vanessas Aufgabe war es, Danny heute auf andere Gedanken zu bringen. Vor allen Dingen musste sie ihn überzeugen, dass es in Little Peak jemanden gab, der es wert war, die Stadt nicht zu verlassen! Sie wollte Daniel nach der Schule nicht aus den Augen verlieren.
Übermütig hakte sie sich bei ihrem Vampir ein und freute sich, dass Daniel nichts dagegen zu haben schien. Ständig schielte sie zu ihm hinüber, und als er ihr spitzbübisch zuzwinkerte, schlug etwas in ihrem Bauch Purzelbäume. Danny mochte sie sehr gern, da war sie sich ganz sicher!
Sie nahmen die Abkürzung durch eine Parkanlage, deren Weg nur schwach von wenigen Laternen erhellt wurde, als Daniel wie beiläufig erwähnte: »Meine Mutter möchte, dass du mir Nachhilfe gibst.«
Vanessas Herz klopfte ein paar Takte schneller. »Tatsächlich?«, sagte sie möglichst unbeeindruckt, doch ihre Fantasie machte wie so oft Überstunden. Das wäre ja großartig , da könnte ich viel Zeit mit ihm gemeinsam verbringen und ihm näherkommen.
»Ich hab ihr gesagt, du hättest bereits zwei Schüler.« Danny kickte einen weiteren Stein vom Weg. »Jetzt will sie sich nach jemand anderem umsehen.«
Nein, das wird sie nicht, dafür werde ich sorgen , überlegte sie.
Es stimmte zwar, dass sie zwei Schülern der Unterstufe Nachhilfe gab, doch das war nur sporadisch. Vanessa würde Dannys Mutter schon überzeugen, dass sie genau die Richtige für diesen Job war.
»Nessa«, knurrte er neben ihr, »denk nicht mal dran!«
»Was?« Sie versuchte, einen unschuldigen Augenaufschlag hinzubekommen, aber Danny hatte sie längst durchschaut.
»Wenn du meine Mutter darauf ansprichst, werde ich dir in deinen entzückenden Hals beißen!« Hastig schob er sich das Vampirgebiss zwischen die Lippen.
Daniel schien richtig aufzublühen. Schon lange hatte Nessa ihn nicht mehr derart ausgelassen erlebt. »Das traust du dich nicht«, provozierte sie ihn, doch da hatte er sie bereits auf die Parkbank geschubst, an der sie gerade vorübergingen. Halb legte Daniel sich auf sie und zwickte sie mit den künstlichen Zähnen in ihr Schlüsselbein. Als seine Lippen ihre Haut berührten, keuchte Vanessa auf. Dannys Haar streifte ihre Wange und sie roch das duftende Gel sowie sein Aftershave, spürte seine Körperwärme. Vanessa war froh, sich für das antike Burgfräuleinkleid mit dem weiten Ausschnitt entschieden zu haben, so bot sie ihrem Vampir viel Freifläche.
»Du wirst meiner Mutter nichts sagen, okay!« Daniels Finger fanden den Weg zu ihren Rippen, um sie zu kitzeln, und Vanessa lachte auf. Automatisch legte sie ihre Handflächen gegen seinen Brustkorb, aber sie drückte nur leicht zu. Dafür genoss sie diesen Augenblick zu sehr, und durch den dicken Stoff ihres Kostüms war seine Attacke gut auszuhalten.
»Das klingt ja so«, sagte sie atemlos, »als wolltest du nicht mit mir lernen.«
»Du bist nicht das Problem«, wisperte er, und ihr Herz machte einen Satz. Also wollte er wohl nicht, weil er die Schule hasste – was ja kein Geheimnis war.
Küss mich bitte! , flehte sie in Gedanken, während sie über seine Brust strich.
Als ob er sie gehört hätte, knabberte er mit seinen künstlichen Zähnen weiter an der Säule ihres Halses herauf, bis Vanessa Dannys Mund und seinen warmen Atem auf ihrem Kinn spürte. Küss mich, bitte, bitte, küss mich! Ihr Herz schlug so heftig, dass sie beinahe befürchtete, es könnte zerspringen.
Daniel genoss seine Verabredung mit Nessa. Er wusste nicht, wann er zuletzt derart viel Spaß gehabt hatte. Jetzt war er froh, ihr zugesagt zu haben, weil sie gestern nach der Schule so traurig ausgesehen hatte. Für einen kurzen Moment spielte er mit dem Gedanken, sie auf ihre hübschen Lippen zu küssen, als sich plötzlich seine Nackenhaare aufstellten.
»Stör ich dich gerade bei irgendwas?«, ertönte eine spöttische Stimme neben ihm. Schlagartig fuhr sein Kopf herum.
»Hast du gedacht, ich erkenne dich in dieser Verkleidung nicht, Silvan?«
Daniel versuchte, die schwarzhaarige junge Frau, die ganz außen auf der Bank
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