Daniel Taylor zwischen zwei Welten
demonstrieren wollen, wie gut es ihr ging. Mit Schrecken hatte Marla gesehen, wie die anderen Dämonen hausten: Zusammengepfercht in feuchten, dreckigen Höhlen, kämpften sie um den besten Platz in diesem Getto. Sie habe also keinen Grund, sich zu beschweren, und wenn sie es wieder täte, würde er sie zum gemeinen Volk stecken, hatte Obron ihr gedroht.
Marla hatte das dumpfe Gefühl, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis sich die geknechteten Unterweltler gegen ihren Herrscher auflehnen würden. Sie waren, genau wie Marla, nichts anderes als Sklaven, die den Oberen und Xandros einen Teil ihrer Seelennahrung abgeben mussten …
Bevor Marla ihr Domizil erreichte, kam ihr Vanessa in den Sinn, die ihr bestimmt auch etwas über romantische Gefühle sagen konnte.
Gefühle … wenn es also doch stimmte, dann hatte sie Wächterblut in sich. Ach, verdammt!
Kurzerhand erzeugte Marla ein Portal an der Felswand und stieg durch das Tor in Vanessas Dachzimmer.
Enttäuscht bemerkte sie, dass niemand im Haus war. Vanessas Eltern arbeiteten vielleicht, und Vanessa selbst …
Schule! , fiel Marla ein und erzeugte ein weiteres Portal, aber auch da war Vanessa nicht – das Schulgelände war verlassen. Wahrscheinlich war gerade Wochenende oder es waren Ferien. Marla kannte sich ein wenig mit Schule aus, hatte sie doch heimlich des Öfteren den Unterricht besucht, um lesen zu lernen. In der Unterwelt hatte man ihr das verwehrt. Als Obron es herausfand, durfte Marla mehrere Monate lang die Unterwelt nicht verlassen. Dafür hatte sie Ilaria besucht und dort heimlich gelesen.
Ihre Schritte hallten von den Wänden, als sie durch die Gänge ging und ab und zu in ein Klassenzimmer spähte. Hier hätte sie vielleicht gesessen und alles über die Menschenwelt gelernt, wenn die Oberen Kitana nicht aufgespürt hätten.
Ein seltsames Gefühl der Leere befiel Marla. Da gab es einen Platz in ihrem Herzen, an dem etwas fehlte, und ihr pumpender Muskel zog sich zusammen, als würde er versuchen, diese Leere zu vertreiben.
Mike … Marla seufzte. Wo war nur Vanessa? Marla hätte sie jetzt dringend gebraucht!
Sie wurde immer unruhiger; ihre Gedanken überschlugen sich. Niemals zuvor war der Drang dermaßen stark gewesen, mit jemandem reden zu müssen. Sie könnte Vanessa fragen, was sie über ihren Traum dachte. Außerdem wollte Marla wissen, ob Vanessas Herz ebenfalls so schnell schlug, wenn sie an Silvan dachte. Ob sie seinen Geruch vermisste und die Finger auf ihrer Haut, sein Lächeln, seine Stimme, ach … einfach alles!
Sie wurde noch verrückt! Stand sie etwa unter einem Liebeszauber, oder war das, was sie fühlte, dasselbe, was ihre Mutter gespürt hatte? Waren diese neuen, wunderbaren Empfindungen der Grund gewesen, warum Kitana der Unterwelt den Rücken gekehrt hatte? Traf James etwa genauso wenig Schuld wie Mike?
Kitana war geflohen, weil man uns beide hatte töten wollen …
Humbug! Ich lebe noch!
Weil meine Mutter mich mit einem Schutzzauber belegt hat …
Verdammt, sie wusste nicht, was sie tun sollte! War ihr ganzes Leben eine Lüge gewesen?
Wenn auch nur ein Dämon bemerkte, dass sie nicht mehr loyal zu ihnen stand, würden ihr weitaus schlimmere Dinge bevorstehen und sie Mike bestimmt nie wiedersehen!
Auf jeden Fall hätte alles anders verlaufen können, wenn Kitana noch mit James zusammen wäre. Ob sie alle dann in so einem Häuschen wohnen würden, wie es ihr Bruder getan hatte und Vanessa?
Vanessa – vielleicht war sie ja bei Silvans Ziehmutter!
Marla erschuf ein neues Portal, das in Silvans ehemaliges Zimmer führte. Dort sah alles genauso aus wie beim letzten Mal, als sie hier gewesen war. Ihr dämonisches Gehör vernahm mehrere Stimmen aus der unteren Etage. Marla machte sich für menschliche Augen unsichtbar, stieg leise die Treppen hinab und betrat dann das Wohnzimmer der Taylors.
Ihr stockte der Atem. Was nicht daran lag, dass sie Vanessa hier tatsächlich vorfand – nein, es lag vielmehr an der Tatsache, dass sich Vanessa und Silvans Ziehmutter mit jemandem unterhielten, den Marla nicht sehen konnte!
Moment – wenn sie ganz genau hinschaute und sich scharf konzentrierte, konnte sie eine beinahe durchscheinende Gestalt auf dem Sessel ausmachen, zu der eine männliche Stimme gehörte.
James Carpenter! , schoss es Marla durch den Kopf. Er musste dieses Amulett besitzen, das ihn für Dämonen unsichtbar machte! Ob Marla ihn erahnen konnte, weil sie Wächterblut in sich hatte? Ihr Traum entsprach
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