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Dann fressen sie die Raben

Dann fressen sie die Raben

Titel: Dann fressen sie die Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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Badezimmer.
    Ich bin froh über den Aufschub. Immer noch fassungslos schaue ich mich um.
    Nie im Leben hätte ich gedacht, dass Alex in einer Luxus-Penthousewohnung wohnt. Sein Vater würde ihm das niemals finanzieren. Der heilige Dr. Oliver legt auf Luxus keinen Wert und spendet einen Großteil seines Einkommens für soziale Zwecke.
    Also, wo hat Alex das viele Geld dafür her?
    Ich lege meine Tasche auf einen durchsichtigen Plastikstuhl und ziehe meine Jacke aus.
    Die wenigen Möbel haben sicher Designpreise gekriegt, allerdings bestimmt nicht dafür, dass sie bequem sind. Die Fußböden glänzen in irgendeinem schwarzen Steinmaterial, die offene Küche ist mit den allerfeinsten Topgeräten ausgestattet, die hinter Alufronten verborgen sind. Nur die Gläser und das Geschirr auf einem offenen Regal wirken altmodisch. Es sind bauchige Krüge und Tassen mit blauen und weißen Blumenmustern, in die Gläser sind romantische Schleifchenmuster eingraviert.
    Sein Bett ist japanisch und vom Rest der Loft nur abgetrennt durch einen Papierwandschirm, der im asiatischen Stil mit unpassend wirkenden Sexorgien bedruckt ist. Neben dem niedrigen Bett glänzt ein silberner Hantelbaum.
    Auf einem riesigen Holztisch stehen ein Laptop, ein iPad und ein Pizzakarton mit einem schwarzen Raben darauf, der inmitten all der Pracht so fehl am Platz wirkt wie ein Eiterpickel auf der Stirn von Heidi Klum.
    Ich sehe zur Badezimmertür hinüber, hinter der Wasser rauscht. Hastig schleiche ich zum Tisch und will gerade Alex’ Laptop aufklappen, als mir wieder einfällt, dass auch er ein Passwort hat. Ich laufe zurück zur Fensterfront und starre nach draußen in den grauen Märzhimmel.
    Endlich erscheint Alex, geduscht und angezogen, doch er sieht nicht wacher aus als eben.
    »Gefällt’s dir hier?«
    »Schick«, sage ich knapp.
    »Aber du magst es nicht, oder?« Der Fluch versucht ein Lächeln, was ihm völlig misslingt.
    »Doch.«
    »Deine Schwester fand es gruselig. Aber sie …«
    »Sie was?«
    »Na ja, sie ist tot.«
    Wie sensibel von ihm. Bevor ich etwas erwidern kann, fährt er schon fort. »Entschuldige. Ich hätte das anders sagen sollen. Ich bin heute nicht ganz bei mir.«
    »Ich auch nicht.« Ich überlege, wie ich weitermachen soll. Aber weil mir kein Übergang einfällt, gebe ich mir einfach einen Ruck. »Sag mal, operiert dein Vater auch?«
    »Na klar, er ist zwar Internist, aber wenn er für Ärzte ohne Grenzen arbeitet, dann macht er das den ganzen Tag. Wieso fragst du?«
    Ich antworte nicht. »Worüber habt ihr euch neulich im Krankenhaus gestritten?«
    Er beißt sich auf die Unterlippe und bläst zischend Luft aus. »Wir streiten uns doch jedes Mal, wenn wir uns sehen.«
    »Wieso eigentlich?«
    Alex kommt ein paar Schritte auf mich zu. »Ich finde es komisch, dass du so viele Fragen stellst. Was soll das? Glaubst du etwa immer noch, dass Linas Tod kein Selbstmord war?«
    »Das hat nichts mit Glauben zu tun«, bricht es aus mir heraus. »Ich habe Beweise.«
    Als ich seine Reaktion sehe, könnte ich mich in den Hintern beißen.
    »Was denn für Beweise?« Er fuchtelt wütend mit den Händen. »Wovon redest du überhaupt?«
    Ich denke an das Foto in meiner Jackentasche. Aber das werde ich ihm nicht zeigen. Dann müsste ich erklären, woher ich es habe. Wie also gehe ich sonst vor?
    »Nehmen wir für einen Moment mal an, dass Oliver in etwas verwickelt wäre, was Lina herausbekommen hat.«
    »Und was soll das sein?«
    »Ist doch jetzt egal. Etwas Schlimmes. Schlimm genug, dass er sie aus dem Weg schaffen musste.«
    Jetzt beginnt Alex zu lachen. Er kann sich überhaupt nicht mehr beruhigen. »Willst du etwa damit sagen, dass mein Vater Lina auf dem Gewissen hat?« Er tippt sich an die Stirn. »Ruby, du brauchst wirklich Hilfe. Der gute Oliver würde niemals jemanden töten. Könnte er gar nicht.« Alex’ Worte klingen so verächtlich, als wäre das ein Armutszeugnis für einen Mann. »Nicht mal, wenn man ihm einen üblen Diktator auf dem Silbertablett servieren würde. Vergiss nicht, er muss sich an seinen beschissenen heiligen Eid halten.«
    Ich denke wieder an den weggekratzten Äskulapstab. »Aber das sollten Ärzte doch auch.«
    »Träum weiter, Prinzessin. Das Leben ist nicht wie im Märchen, wo die Guten mit den Bösen kämpfen und das Gute siegt. Im richtigen Leben sterben die Guten. Die anderen Guten und vor allem Menschen wie der heilige Oliver stehen blöd rum und tun nichts dagegen.«
    »Wie meinst du das?«
    Bevor er

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