Dann fressen sie die Raben
Scheck in der Tiefgarage vielleicht darauf hinweisen, dass Kimoni von einem betrunkenen BMW-Fahrer nach dem Fest totgefahren wurde? Von einem BMW-Fahrer, der bei den Alphatieren mitgemacht hat? Wenn sie versucht hätten, das zu vertuschen, dann wäre Lina bestimmt die Erste gewesen, die etwas dagegen unternommen hätte.
Alex fährt genau so einen BMW, wie er auf dem Foto in der Tiefgarage zu sehen ist. Und der Vater von Dennis auch, fällt mir ein. Dennis, an den ich seit dem Überfall in Riem gar nicht mehr gedacht habe.
Ich spüre, wie mein Puls schneller geht. Das könnte wirklich sein. Totschlag mit Fahrerflucht – wenn so ein Verbrechen auffliegt, dann ist das Leben des Täters in jedem Fall ruiniert. Besonders das Leben von Sonnyboys wie Alex oder Dennis.
Vermutungen, Ruby, nichts als Vermutungen. Halte dich weiter an die Tatsachen, sonst gerätst du wieder aufs Glatteis. Mein Traum fällt mir wieder ein, Lina, die so ungläubig in das Eis einbricht, ein Schauer läuft über meinen Rücken und erinnert mich daran, dass es hier nicht darum geht, irgendein lächerliches Ratespiel zu lösen und zu gewinnen, sondern um Mord.
Ich nehme mir noch einmal alle Fotos vor, vergrößere sie, von links nach rechts, von oben nach unten, suche nach Hinweisen. Je länger ich sie anschaue, desto mehr Details erkenne ich. Und dann stoße ich auf einen Zusammenhang, vielleicht den Zusammenhang: Das Essen wird von Kellnern serviert, die zum Großteil schwarz sind. Das habe ich zwar schon vorher bemerkt, aber nicht entdeckt habe ich, dass einer von ihnen tatsächlich Kimoni ist.
Wie die anderen trägt er eine Art Livree. Fehlen nur noch die weißen Handschuhe und wir wären in einem Südstaatenfilm aus den Fünfzigerjahren. So viel zum Palast hotel mit seinen fünf Sternen.
Ich beginne noch einmal von vorn. Bild für Bild schaue ich durch und bleibe wieder an dem Foto in der Garage hängen. Muss ich mich auf die Jungs konzentrieren, die so ausgelassen und auch ein bisschen betrunken wirken? Oder auf das Auto? Ich vergrößere den Bildausschnitt, um mehr vom BMW zu sehen. Aber ich erkenne nichts Besonderes. Im Kotflügel spiegelt sich das Wort Notausgang, das ist alles. Eine stinknormale Tiefgarage, wie es sie unter den meisten Hotels gibt, ein stinknormaler, wenn auch ziemlich teurer BMW.
Ich vergrößere noch einmal das Bild des toten Kimoni. Der Boden sieht genauso aus wie der in der Tiefgarage, aber grauen unverputzten Beton, den gibt es an vielen Orten. Allerdings ist neben Kimonis Füßen eine Wasserpfütze. Ich vergrößere den Bildausschnitt und werde fündig. Ganz schwach kann man auch hier eine grüne Spiegelung erkennen.
Ich reibe mir die Augen, schaue noch einmal hin. Es stimmt. Oh Mann, es stimmt! Heißt das, ich liege mit meiner Theorie mit dem Unfall und der Fahrerflucht richtig?
Ich bin einerseits völlig klar und unglaublich aufgeregt, andererseits auch durcheinander. Wie gern würde ich darüber mit John reden.
Ich unternehme einen letzten Versuch, mich rauszuschleichen, aber Pa sitzt immer noch am Esstisch und hebt sofort den Kopf, als ich aus meinem Zimmer komme, und deshalb gehe ich nur brav aufs Klo und wieder zurück an Linas Computer.
Ich denke nicht daran, jetzt aufzuhören. Vielleicht stoße ich noch auf etwas. Das habe ich auch beim Atargatisprojekt gelernt, man darf auf keinen Fall zu früh aufgeben.
XI
Und an jenem Tage wirst du die Schuldigen in Ketten gefesselt sehen.
((14:49))
In den frühen Morgenstunden erwacht John mit einem glücklichen Lächeln und streckt sich. Zum ersten Mal seit Kimonis Tod haben ihn die quälenden Gedanken an seinen Verlust nicht daran gehindert einzuschlafen und niemand hat seine Ruhe in der Hütte auf dem kleinen Spielplatz gestört. Bis jetzt. Aber was hat ihn geweckt? Ein Geräusch? Vorsichtig späht er über den Rand des Häuschens. Nichts. Er lässt sich zurücksinken und denkt an seinen Traum, in dem er Kimoni begegnet ist. Sein Lächeln verebbt, weil er sich nach und nach daran erinnert, was Kimoni im Traum von ihm verlangt hat.
Sein Zwillingsbruder war als Magier gekleidet und hat Steine für Johns Zukunft geworfen. Nach dem Wurf hat er ihn lange mit betrübter Miene angesehen und kein Wort gesagt. Als John ungeduldig wurde, hat er ihm mit dem Gnuschwanzwedel zugewunken und ihn angefleht, sich endlich um die Frau mit den Sambesiaugen zu kümmern, das Unglück hält sich nicht an Besuchstage, hat er gesagt.
Dabei gebe ich mein Bestes, denkt John, das
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