Dann klappt's auch mit dem Doktor
Ãberhaupt gar keine Frauengeschichten in meiner Wohnung. Ist das klar?«
»Ja, du alte SpieÃerin. Ich hab übrigens die Post mitgebracht. Liegt auf der Anrichte.«
Man mag es kaum glauben, aber Till ist auch ein hervorragender Freund, um meine Blumen zu gieÃen und nach dem Rechten zu schauen, wenn ich im Urlaub bin. Und natürlich um mich zu retten, wenn ich mich mal wieder ausgeschlossen habe. Deshalb habe ich ihm auch einen meiner beiden Ersatzschlüssel anvertraut. Den anderen hat Vera bekommen. Sicher ist sicher.
»Vielen Dank, damit hast du dich ja schon mal gut als neuer Teilzeit-Mitbewohner eingeführt. Sind bestimmt wieder nur Rechnungen und Werbung.«
»Tja, dann bist du wohl überführt.«
»Wobei?«
Till macht mir noch einen Kaffee und drückt mir einen Stapel Briefe in die Hand. Wie ich gesagt habe, Rechnungen, Rechnungen, Rechnungen, Werbung und ein Schreiben von einer renommierten Schönheitsklinik. Komisch.
»Na los, sag schon: Was hast du machen lassen?« Till mustert mich neugierig, »deine Möpse warenâs ja wohl schon mal nicht.«
»Du bist echt so was von oberflächlich.«
Um weiteren Spekulationen vorzubeugen, öffne ich rasch den Umschlag.
»Oh, das ist ein Brief von Ben. Er arbeitet in dieser Klinik.«
Till ahmt einen Kussmund nach und wirft schmatzend Küsse in die Luft: »Na fein. Dann geht das ja schon wieder los ⦠Ben ⦠Ben ⦠Ben ⦠Ben â¦Â«
Ach ja, Ben. Ben habe ich vor etwa sechs Wochen auf der Kostümparty einer Freundin kennengelernt. Er sieht fast aus wie einem Werbekatalog entsprungen â ungelogen! Das liegt nicht nur an seiner GröÃe von etwa einem Meter achtzig und seinen gut definierten Muskeln, auch seine markanten Gesichtszüge tragen dazu bei. Ben ist dreiÃig und plastischer Chirurg. Weil er direkt aus der Klinik auf die Party gekommen war, hatte er keine Zeit, sich um ein richtiges Kostüm zu kümmern. Stattdessen kam er in einem Aufzug, der in der Tat nicht einfallsloser hätte sein können: OP -Kleidung! Der Chirurg geht als Chirurg zur Party! Dabei lautete das Motto Cartoon. Till, meine Freundin Caro, ihr Mann Ralf und ich waren dagegen als die Ehepaare Feuerstein und Geröllheimer in Steinzeit-Fellimitaten erschienen. Als besonderen Gag hatten wir aus Pappe das Feuerstein-Auto nachgebaut, in dem wir als Fred, Wilma, Barney und Betty auf der Party auftauchten. Bens liebloses Kostüm war Grund genug für mich, ihn erst mal zu ignorieren. Phantasielose Männer kommen für mich nicht in Frage.
Mit einem simplen, aber wirkungsvollen Trick schaffte er es zu später Stunde dann doch noch, mich in ein Gespräch zu verwickeln. Er besorgte sich von der Gastgeberin Papier, Schere und Filzstifte, bastelte sich ein Superman-Abzeichen und heftete es mit einer Wäscheklammer vorne auf seinen OP -Kasack. Einen dunkelblauen Schal der Gastgeberin funktionierte er zu einem Umhang um. Dann brachte er mir mit den Worten: »Darf ich mich Ihnen vorstellen? Ich bin Superchirurg, gekommen, um die Welt zu retten und alle einschlägigen Vorurteile gnadenlos zu erfüllen«, einen Cocktail. Ich konnte nur überrascht wispern: »Oh, Superchirurg, ich muss gestehen, noch nie von Ihnen gehört zu haben.«
Er konterte mit: »Das heiÃt nicht, dass es mich nicht gibt. Viele wahre Helden werden von der Ãffentlichkeit verkannt. Auch ich trete lieber inkognito auf. Aber Sie, die schönste aller Steinzeitfrauen, haben mir keine andere Wahl gelassen, als mich zu outen.«
Ich gab mich geschlagen. Eigentlich stehe ich nicht auf Chirurgen und erst recht nicht auf plastische. Diese personifizierten Götter in Weià halten sich meist ernsthaft für Superman. Sie können alles, sie wissen alles, und ohne sie würde die Welt zugrunde gehen. Niedere Arbeiten und Mitgefühl sind unter ihrem Niveau. Die meisten von ihnen sind borniert, und fast die gesamte Frauenwelt liegt ihnen zu FüÃen. Ben ist der Erste, der das mit einem simplen Kostüm so selbstironisch auf den Punkt gebracht hat. Am Ende der Party hatte er mich mit seinem Charme völlig um den Finger gewickelt und konnte schlieÃlich auch noch seine Heldenqualitäten unter Beweis stellen: Als Caro, Ralf, Till und ich bereit für den Heimweg wieder in unserem Feuerstein-Mobil standen, hatten wir ein Koordinationsproblem. Till wollte nach rechts, um sich noch von
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