Dann klappt's auch mit dem Doktor
Zimmer, das dann doch nicht stattfindende erste Mal in der Gartenlaube ⦠Die Liste ist endlos.
»Hallo, Anna, hallo, kannst du mich hören?«
»Schrei nicht so. Mir fallen gleich die Ohren ab.«
»Ich habe jetzt ein Handy«, brüllt meine Mutter ins Telefon.
»Schrei trotzdem nicht so. Was gibtâs denn?«
»Ich wollte nur mal hören, wie es dir geht. Du meldest dich ja nie. In der Klinik bist du auch nicht erreichbar.«
»Ich arbeite in der Klinik. Und abgesehen von einer Erkältung geht es mir gut.«
»Oh, du bist erkältet? Dein Vater und ich haben schon überlegt, ob wir morgen mal vorbeikommen. Aber wenn du krank bist, lassen wir das lieber. Du willst uns doch nicht anstecken.« Wäre mir ehrlich gesagt egal. Sogar meine eigene Mutter hat Angst vor meinen Killerkeimen. Das ist ja reizend.
»Nee, bleibt mal lieber zu Hause und unternehmt was Schönes. Ich komme schon klar. Wieso hast du denn jetzt ein Handy?«
»Na ja, eigentlich halte ich das für neumodischen Schnickschnack, aber alle haben ja inzwischen eins. Hallo ⦠Hallo ⦠Anna, kannst du mich hören?«
Im Hörer rauscht es, als stünde meine Mutter in einem Orkan.
»Geh aus dem Wind raus. Dann wirdâs besser«, brülle ich, so laut ich das mit meiner heiseren Stimme kann.
»Was soll das denn wieder heiÃen? Ich sitze gerade beim Friseur. Ich ruf dich später noch mal an.«
Telefonieren unter der Trockenhaube ist wohl doch nicht empfehlenswert. O Mann! Wenn meine Mutter jetzt, nachdem sie sich jahrzehntelang gegen die Fortschritte der Technik gewehrt hat, ein Handy hat, dann kann sie mich ja immer und von überall her anrufen. Das kann ja heiter werden.
Kapitel 7
Nachdem ich arbeitgeberfreundlich mein ganzes freies Wochenende lang krank war, fühle ich mich Montagmorgen immer noch richtig elend und möchte auf dem Weg zur Arbeit am liebsten gleich wieder kehrtmachen.
Bis vier Uhr heute früh habe ich mit Hilfe von sechzehn Tassen Espresso mit Cola light an meinem Vortrag gearbeitet und die letzten störrischen Videos eingebaut. Der Vortrag ist nun fertig, und ich bin es auch. Die restlichen drei Stunden der Nacht habe ich entweder gehustet oder mich in wirren Träumen gewälzt. Am liebsten würde ich mich krankmelden und zu Hause bleiben. Nur mein Gewissen hält mich davon ab. Den dämlichen Vortrag, den ich heute halten muss, könnte man ja zur Not verschieben. Was mich antreibt, ist etwas anderes: Die Klinik ist zurzeit schlecht besetzt. Eine Kollegin ist schwanger und eine im Urlaub. Da kann keiner mehr fehlen. Es gibt niemanden, der einspringen könnte, und der Arbeitsanfall wäre für meine Mitassistentinnen nicht mehr zu bewältigen. Schade, dass das Wort Personalmangel nie bis in die Personalabteilung zu dringen scheint. Dort sitzen sich Hundertschaften an ihren Computern bei Kaffee und Kuchen die Hintern platt.
Widerwillig parke ich das Auto und schleppe mich zum Hörsaal.
Nach drei Stunden Halbschlaf stelle ich mich völlig übermüdet neben das Vortragspult, stöpsele meinen Computer an den Beamer und bin eigentlich zu überhaupt nichts zu gebrauchen. An Stelle der morgendlichen Frühbesprechung findet einmal im Monat die interne Fortbildung statt.
Ich bin so müde. Ich kann gar nichts mehr. Vor allem nicht sprechen. Ich stecke mir schnell noch ein Hustenbonbon in den Mund. Der Beamer summt munter vor sich hin, und auf der Leinwand erscheint die erste Folie meines Vortrages. Na wenigstens funktioniert die Technik. Der Saal füllt sich. Uuhhh, das werden aber viele Zuhörer. Die meisten von denen, die sich in die engen Sitzreihen quetschen, kenne ich gar nicht. Das macht es nicht besser. Da ist sie nämlich wieder: meine Vortragsphobie! Lampenfieber kann man das schon nicht mehr nennen.
Mir wird heiÃ. Ich habe bestimmt alles vergessen. Ich fühle, wie mein Gesicht rot anläuft. Mein Englisch wird ein unverständliches peinliches Kauderwelsch sein. Ich schwitze. Alle werden von dem Thema mehr Ahnung haben als ich. Mein Herz rast. Die Videos werden ausfallen. Ich bekomme keine Luft mehr. Ich werde keine einzige Zwischenfrage beantworten können. Meine Knie werden weich. Bei der Abschlussdiskussion werden alle über mich herfallen und mich zerreiÃen. Der Raum dreht sich um mich. Ich werde bestimmt ohnmächtig. Professor Astrup begrüÃt die Anwesenden. Meine
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