Dann klappt's auch mit dem Doktor
zu informieren. Tut mir leid, Frau Doktor.«
»Nein, mir tut es leid«, entschuldige ich mich. »Wir sollten endlich eine andere Lösung für die Visiten in den Mehrbettzimmern finden. Frau Meier, ich kann gut verstehen, wenn Sie jetzt verärgert sind.«
»Ich möchte nur, dass mein Sohn hier gut behandelt wird.«
»Das wird er, das verspreche ich ihnen.«
»Na, das will ich Ihnen auch geraten haben. Das sind ja Zustände hier.«
Wie unangenehm! Dass mir so etwas passieren muss! Wo ich immer so erpicht darauf bin, meine Patienten möglichst optimal zu betreuen. Die Frau hält mich jetzt bestimmt für eine inkompetente Verrückte.
Nach dieser peinlichen Visite muss ich noch elf Entlassungsbriefe schreiben. Um diese Aufgabe etwas angenehmer zu gestalten, futtere ich beim Tippen der Arztbriefe drei Stücke Schokokuchen, den Oberschwester Marie gebacken hat. Ich hatte ja schlieÃlich auch kein Mittagessen.
Fünf Minuten nach fünf, genau genommen nach Dienstschluss, erscheint Dr. Klemme im Arztzimmer:
»Guten Tag, Frau Plüm. Ich möchte den chirurgischen Patienten auf Ihrer Station visitieren.«
»Jetzt? Es ist schon nach fünf.«
»Wenn Sie nach Uhrzeit arbeiten wollen, suchen Sie sich einen Job in der Verwaltung.« Klemme ist beleidigt.
»Das meine ich nicht. Können Sie den Patienten bitte mit dem Dienstarzt besprechen? Ich muss zur Moby-Fit -Ambulanz-Besprechung.« Und vorher noch mal die Pinnwand kontrollieren â aber das verrate ich Klemme natürlich nicht. Dessen Laune sinkt rapide:
»Dann kümmern Sie sich darum, dass der hierherkommt.«
Laut Plan hat Dr. Dietrich Dienst. Ich funke ihn an, aber es meldet sich nur die Kollegin vom Frühdienst: »Dietrich ist noch nicht da, ich weià auch nicht, wo der steckt. In der Notaufnahme ist die Hölle los.«
Na toll. War ja klar.
»Könnten Sie den Patienten vielleicht alleine visitieren?«, frage ich Klemme mit dem flehendsten Augenaufschlag, den ich hinkriege.
»Frau Plüm, ich bin hier der Oberarzt! Sie sind die Assistenzärztin! Wenn ich jetzt eine Visite mit Ihnen verlange, dann machen Sie das!«
Klasse! Jetzt packt er vor lauter Science-Training-Frust die Hierarchie-Keule aus. Während der Visite kommt es zum Eklat.
Dr. Klemme möchte, dass ich dem Patienten ein Medikament verordne, das dieser in der Vergangenheit mehrfach nicht vertragen hat, was ich ihm auch mitteile.
»Frau Plüm, ich bin hier der Oberarzt! Wenn ich etwas anordne, dann halten Sie sich daran!«
Das ist zu viel! Nicht auf Kosten eines Patienten! Der kann schlieÃlich nichts für Dr. Klemmes Egoprobleme. Wenn er diese Anordnung wirklich durchdrücken will, dann soll er das mal schön selber tun. So ein Vollidiot! Meine Glückswolke ist verpufft. Wieder absolut geerdet, mache ich mich im Eilschritt auf den Weg zu meiner Besprechung.
Vorher hetze ich jedoch noch schnell an der Pinnwand vorbei. Die ist skandalfrei. Was Neuigkeiten über den Mösli-Ehekrach betrifft, finde ich das natürlich insgeheim etwas schade. Im Hinblick auf einen möglicherweise mich betreffenden Dietrich-Skandal bin ich sehr erleichtert.
Eine Entschuldigung murmelnd, quetsche ich mich eine gute halbe Stunde zu spät in den Ambulanz-Besprechungsraum. Denner bedenkt mich mit einem leicht mürrischen Blick:
»Schön, dass Sieâs geschafft haben. Liebe Kollegen, Frau Plüm kennen Sie ja schon. Sie wird am Freitag ihre ersten Ambulanzpatienten betreuen.«
Dann fährt er mit der Tagesordnung fort. Es scheint Schwierigkeiten bei der Anmietung von Turnhallen für die Sportstunden im Winter zu geben. Frau Goldstein, die am Kopf des Tisches sitzt und Protokoll führt, reicht mir eine Tasse Kaffee, halb mit Milch und mit einem Stück Zucker. Das ist die einzige Art, auf die ich Filterkaffee ertragen kann, und sie hat es sich gleich gemerkt. Dann bietet sie mir etwas Schokokuchen an.
»Selbst gebacken, für Ihre erste Ambulanzbesprechung. Ich habe gehört, dass Sie den mögen«, teilt sie mir augenzwinkernd mit.
Auf dem Tisch stehen zwar noch Obst und Vollkornschnittchen, aber zu selbstgebackenem Schokoladenkuchen sage ich niemals nein. Heute sollte lieber niemand meine Ernährungsgewohnheiten überprüfen. Denner guckt noch ein wenig mürrischer. »Frau Plüm, falls Ihnen zwischen Kaffee und Kuchen noch Zeit bleibt: Haben Sie noch
Weitere Kostenlose Bücher