Dann klappt's auch mit dem Doktor
Nasentropfen, Schleimlöser und Kopfschmerztabletten bisher versagt haben. Ich bin stark, ich bin stark, es geht mir gut, ich bin gesund!
Gott, gehtâs mir schlecht! Ich habe neununddreiÃig Komma drei Grad Fieber. Ich kapituliere und sage Vera ab.
»Gräm dich nicht. Schlaf erst mal eine Runde. Morgen sieht die Welt schon ganz anders aus«, versucht sie mich zu trösten.
Umgehend verstärke ich alle möglichen ErkältungsBekämpfungsmaÃnahmen. Ich nehme literweise Nasentropfen, alle Schleimlöser, die ich finden kann, noch etwas zum Fiebersenken und gegen die Schmerzen, Vitamin C, Vitamin A-Z, Biotin, Coenzym Q 10 , Vitamin B 6 und noch mal Vitamin C ein.
Die Antibiotikareste aus meinem Arzneischränkchen bleiben erst mal unangetastet. Ich versuche, mich möglichst optimistisch davon zu überzeugen, dass ich morgen wieder gesund sein werde. Ich muss morgen wieder gesund sein!
Nachdem ich mehrere Stunden als virenbeladener Fleischkloà im Bett gelegen habe, muss ich mir eingestehen: Das wird wohl so schnell nichts. »Hochfieberhafter grippaler Infekt der oberen Luftwege mit Beteiligung der Nasennebenhöhlen und beginnender Bronchitis«, das wäre wohl die offizielle Diagnose. Was absolut nervt, ist der Husten, der die Macht über mich ergriffen hat. Die erste Packung Hustenbonbons ist schon leer, die zweite und damit letzte halb. Wann bekomme ich wohl endlich den auf der Verpackung angedrohten SüÃstoff-Durchfall? Da ich dank des Hustens eh nicht schlafen kann, beschlieÃe ich, meinen dämlichen Vortrag, Dr. Klemmes Vortrag, vorzubereiten. Zwei Stunden später habe ich, von etlichen Hustenanfällen gebeutelt, gerade mal vier Powerpoint-Folien fertig. Ich werde etwa dreiÃig brauchen. So geht das nicht. Aber was hilftâs? Missmutig mache ich mich an die nächste Folie und bin heilfroh, als ein Anruf von einem völlig überdrehten Ben mich ablenkt:
»Das glaubst du mir nie! Die OP war total geil. Ich durfte alles alleine machen. Erst habe ich die Hautschnitte vom Haaransatz zum Ohr und um das Ohr herum wieder hinten an die Haargrenze gelegt. Dann habe ich die Wangen- und Stirnhaut abgelöst und â¦Â« Urrgh! Bei solchen ausführlichen OP -Szenarien wird mir heute echt übel. Also halte ich das Telefon weiter weg und warte, bis Ben ausgeredet hat.
»Mensch, das ist ja toll. Total spannend«, krächze ich, als ich seine Stimme nicht mehr hören kann. Ich hoffe bloÃ, dass er schon alles erzählt hat.
»Sag mal. Wie hörst du dich denn an? Hast du gestern noch gesoffen?«
Gesoffen? Ich doch nicht. Also bitte.
»Nein. Ich bin â¦Â«, das Wort kommt mir kaum über die Lippen, »⦠krank.«
»Oje, du Arme. Hast du denn alles, was du brauchst?«
»Ja, ja, keine Sorge. Zur Apotheke habe ich es noch geschafft.«
Ich höre Ben erleichtert aufatmen. Wieso atmet er erleichtert auf? Hat er etwa keine Lust, sich um mich zu kümmern? Ich hätte ihm sagen sollen, dass ich völlig hilflos bin.
»Das ist schön zu hören. Versteh mich jetzt bitte nicht falsch. Ich würde dich ja total gerne besuchen und dich gesund pflegen, aber ich darf mich unmöglich anstecken. Verstehst du? Das kann ich mir einfach nicht leisten.«
»Natürlich nicht.« Ich bin enttäuscht. Ben lässt mich hier einfach so vor mich hin siechen. Ein Arzt sollte keine Angst vor Krankheiten haben. Schon gar nicht bei seiner Liebsten. So grauenvoll, wie ich im Moment aussehe, hätte ich Ben zwar mit allen Mitteln davon abgehalten vorbeizukommen, aber er hätte es wenigstens anbieten sollen. Unser Schweigen zieht sich unangenehm in die Länge. Vielleicht hat Ben ein schlechtes Gewissen. Geschieht ihm recht. Schweigen. Er könnte jetzt langsam mal was sagen. Tut er auch: »Was ist denn das für ein Geräusch in der Leitung?« Jetzt höre ich das nervige Klacken auch. Mist! »Da klopft jemand an.«
»Na, dann möchte ich dich nicht weiter aufhalten. Gute Besserung. Wir telefonieren einfach, wenn du wieder gesund bist.«
Weg ist er, und in der Leitung ist meine Mutter. Dafür dass sie ständig versucht, mich mit einem für sie passenden Mann zu verkuppeln, schafft sie es doch immer wieder erstaunlich sicher, in den unpassendsten Momenten reinzuplatzen. So verdarb sie mir schon erfolgreich mein erstes Date mit dem pickeligen Nachbarsjungen, meinen ersten Kuss in meinem
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