Dann klappts auch mit dem Glueck
vollbringen, sollte man vor seiner Haustür anfangen. Es war an der Zeit, sich als guter Nachbar zu erweisen. Er würde Meredith den Scheck zurückzugeben und ihr die Schulden erlassen. Es musste noch einen anderen Weg geben, sein Camp zu realisieren, und er würde ihn finden. Zum Beispiel könnte er sein Grundstück zu einem guten Preis verkaufen. Und wenn er das Land, das er bereits erworben hatte, ebenfalls wieder verkaufte, wäre er in der Lage, sein Camp Summit an einem anderen Ort aufzubauen. Irgendwo, wo er es nicht auf dem gebrochenen Herzen einer Frau errichten würde.
Schon um sechs Uhr war er angezogen und rasiert. Es fühlte sich gut an, dem Mann im Spiegel entgegenzublicken und zu mögen, was man sah. Er kochte sich einen Kaffee, machte sich Toast und zwang sich dann, bis um sieben Uhr zu warten, bevor er zu ihr fuhr.
Leo musste um acht in der Schule sein, und Merediths arbeitete ab halb neun. Vermutlich waren sie gerade erst aufgestanden.
Ein Bild von Meredith, die aus zerwühlten Laken auftauchte, splitterfasernackt und lächelnd, setzte sich in seinem Kopf fest. Er runzelte die Stirn. Vergiss es, dachte er nur. In den vergangenen Wochen hatte er sich immer wieder diesen lustvollen Fantasien hingegeben, in denen sie in seinem Bett lag. Er hatte sogar den albernen Gedanken gehabt, dass sie – vielleicht in einem Jahr oder so – zusammen vor dem Altar stehen könnten, Leo ihnen die Ringe reichte und sie das Ehegelübde ablegten. Im Geiste hatte er die Kirche vor sich gesehen, voller Gäste, die ihnen Glück wünschten – Freiwillige aus dem Youth-Power-Programm, sein Grundstücksmakler, der schon häufig genug versucht hatte, Jed unter die Haube zu bringen, Merediths Eltern. War es dafür jetzt zu spät? Konnten sie noch einmal von vorne beginnen?
Als er vor Merediths Haus hielt, brannten sämtliche Lampen. Er war kaum die Stufen zur Veranda hoch gegangen, als die Tür aufgerissen wurde. Da stand Meredith in ihrem Bademantel und mit völlig zerzausten Haaren. Jed hätte sie am liebsten an Ort und Stelle in die Arme genommen und geküsst, wenn nicht offensichtlich gewesen wäre, dass etwas Furchtbares passiert war. Ihr standen Panik und Entsetzen ins Gesicht geschrieben.
Ehe er fragen konnte, was geschehen war, sagte sie: „Leo ist verschwunden! Er ist weggelaufen.“
Jed blieb fast das Herz stehen. „Wann?“, fragte er und kam ins Haus.
„Ich weiß es nicht“, erwiderte Meredith mit bebender Stimme.
„Hast du die Polizei angerufen?“
Sie nickte. „Es ist schon jemand auf dem Weg hierher.“ Sie presste eine Hand auf den Mund, während ihr die Tränen über die Wangen liefen. „Er hat gestern alles mitbekommen. Er hat gehört, was ich über seinen Vater gesagt habe. Das ist alles mein Fehler.“
Nun nahm Jed sie doch in die Arme. „Meredith, das ist überhaupt nicht dein Fehler. Wenn jemanden die Schuld trifft, dann mich.“
Sie schluchzte laut auf, und er schloss sie noch fester in die Arme. „Wir finden ihn.“
„Ich habe am Busbahnhof angerufen. Ich dachte, vielleicht hat er versucht, zurück nach Seattle zu fahren. Da ist er nicht.“
„Seine Freunde?“
Sie schüttelte den Kopf. „Niemand hat ihn gesehen.“
„Hat er was mitgenommen? Fehlt irgendetwas, eine Jacke oder so?“
„Seine Jacke ist weg, ja. Und die Taschenlampe fehlt auch.“
Was bedeutete, dass er kurz vor Morgengrauen aufgebrochen sein musste. Oder mitten in der Nacht. Jed hoffte, nicht Letzteres. Die Berge waren nicht nur malerisch, sondern auch tödlich, und um diese Jahreszeit war es dort oben schon bitterkalt.
Draußen kündete Blaulicht die Ankunft der Polizei von Icicle Falls an. Einen Augenblick später standen Tilda Morrison und einer der anderen Beamten, Jamal Lincoln, vor der Tür. Es wurde ein kurzes Interview. Wann hatte Meredith festgestellt, dass Leo nicht da war? Was hatte er vermutlich an? Hatte sie ein Foto von ihm? Die beiden Polizisten machten sich Notizen, nahmen das Foto und verabschiedeten sich wieder. „Jed, Sie wollen bestimmt einen Suchtrupp zusammenstellen, oder?“, sagte Jamal zu ihm, als sie nach draußen gingen.
Während der zwei Jahre, die Jed jetzt hier lebte, hatte er schon so manches Mal geholfen, Wanderer wieder aufzuspüren, die sich verirrt hatten. Daher kannte er den Ablauf gut. Er nickte und schloss die Tür.
Meredith ging nervös auf und ab. „Was ist, wenn sie ihn nicht finden? O Gott, was ist, wenn sie ihn nicht finden?“
„Wir finden ihn“,
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