Dann mach ich eben Schluss
zaghaft, Lächeln fühlt sich noch immer nicht richtig an. Sie streckt ihre Hand aus, viel zu förmlich, denkt sie; es passt weder zu ihm noch zu mir. Jonathan nimmt ihre Hand und hebt sie sachte hoch, berührt ihre Finger mit seinen Lippen, legt ihre Hand dann an seine Brust, dort, wo das Herz sitzt, überrascht stellt sie fest, wie schnell es hämmert.
»Meins auch«, flüstert sie. »Dürfen wir das schon ⦠?«
»Glücklich sein?«, setzt er ihren Gedanken fort.
»Davon bin ich noch weit entfernt«, erwidert sie. »Aber ich glaube, wenn ich morgen früh aufwache, werde ich an dich denken.«
Die Lehrer: Werner Brückner, 56 Jahre, und Sven Bollschweiler, 37 Jahre
1.
»Du gehst da nicht hin«, hört Werner Brückner seine Frau Marianne mindestens zum fünften Mal am Morgen zwei Tage nach Maximilians Tod fordern. »So furchtbar das alles auch ist, davon wird der Junge auch nicht wieder lebendig, wenn du dich trotz Krankschreibung in die Schule quälst.« Dennoch schenkt sie ihrem Mann Kaffee ein und reicht ihm den Korb mit frischen Brötchen, schüttelt den Kopf, schiebt das Kännchen mit der Kaffeesahne zu ihm hin. »Wenn du wieder einen Rückfall bekommst, ist niemandem geholfen.«
Werner Brückner nimmt seine Tasse auf und trinkt sie beinahe in einem Zug leer, dann belegt er sich eine Brötchenhälfte mit Salami und beiÃt ab.
»Auf jeden Fall gehe ich«, bekräftigt er. »Ich möchte nicht wissen, was da sonst wieder geredet wird. Ich habe das Gefühl, ich muss einiges klarstellen über Maximilian. Das bin ich ihm schuldig.«
»Schuldig«, wiederholt sie. »Du hast ja nun wirklich alles für ihn getan, mal muss es genug sein. Du regst dich nur wieder auf, und das ist Gift für dich, wo du heute eigentlich deine Reha antreten solltest. Denk daran, was der Arzt gesagt hat.«
»Marianne, ich muss hin!«, poltert Brückner. »Wenn ich nicht gehe, habe ich keine ruhige Minute mehr, solange ich lebe; das würde meine Beschwerden eher verschlimmern, als wenn ich an der Dienstbesprechung teilnehme und in Erfahrung bringe, wie das alles überhaupt passieren konnte. Ich weià doch nichts, auÃer dass er gegen einen Baum gerast und dabei umgekommen ist! Ein paar Wochen vorher habe ich noch mit dem Jungen gesprochen, da will ich doch auch wissen, was los war!«
»Trotzdem. Du kannst gerne jemanden von den Kollegen zu uns nach Hause einladen, nachmittags, ganz gemütlich zum Tee, ohne Eile, ohne die stressige Atmosphäre in der Schule. Frau Melberg zum Beispiel, die ist doch vernünftig. Sie kennt Maximilian doch auch und kann dir sicher erzählen, ob sie heute bei der Dienstbesprechung überhaupt über ihn geredet haben.«
»Wenn sie es nicht tun, werde ich dafür sorgen«, beharrt Brückner. »Gegen den Baum, bei klarer Sicht, gutem Wetter und ohne Alkoholeinfluss. Für mich sieht das eindeutig nach Selbstmord aus. Und ich will wissen, wer ihn dazu getrieben hat.«
»Nun übertreib nicht gleich.« Marianne öffnet sich einen Becher Früchtejoghurt und rührt mit ihrem Löffel darin. »Er kam mit anderen jungen Leuten aus der Disco, oder etwa nicht? Von solchen Unfällen hört man immer wieder. Sie lernen einfach nicht daraus.«
»Die meisten dieser Verunglückten, von denen du sprichst, waren nachweislich betrunken. Maximilian nicht. Es kann Selbstmord gewesen sein. Ich muss es herausfinden.«
»Werner.« Marianne legt ihren Joghurtlöffel zurück auf den Teller, er bemerkt die KrähenfüÃe um ihre Augen, die immer dann besonders deutlich zu sehen sind, wenn sie sich Sorgen macht. In letzter Zeit haben sie sich verstärkt. »Die Frau Melberg einmal zu uns einzuladen, wäre wirklich eine Alternative, meinst du nicht? Dann erfährst du alles, was du wissen willst, auch ohne dass du dich heute früh in deinem Zustand unters Volk mischen musst. Mit der Gesundheit ist nicht zu spaÃen, du musst nur deinen Entlassungsbericht lesen, da steht es schwarz auf weiÃ. Du mutest dir eindeutig zu viel zu.«
»Lass das meine Sorge sein, Marianne. Ich kann nicht anders, und das weiÃt du. Die ganze Zeit habe ich das Gefühl, dass da etwas nicht stimmt. Dass Max noch leben könnte, wenn entscheidende Fehler im Umgang mit ihm nicht gemacht worden wären.«
»Du machst sowieso, was du willst.«
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