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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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Mir ist alles zu viel.«
    8.
    Sie bleiben erneut bis in den Abend zusammen. Bei Jonathan zu Hause beruhigt sich Natalie allmählich, es tut ihr gut, einmal in einer anderen Wohnung zu sein, denn seit Max’ Tod hat sie noch niemanden besucht. Sie folgt ihm in die Küche, wo er eine einfache Tiefkühlpizza mit frischen Champignons, Zwiebeln und Käse belegt und in den Ofen schiebt. Im größeren Raum der Eineinhalbzimmerwohnung zeigt Jonathan ihr seine Zeichnungen, die ganz anders sind als die von Maximilian. Jonathan entwirft Graffiti, zeichnet gegenständlicher, technischer, doch an seinen Wänden hängen auch Aquarelle. Natalie blickt sich verstohlen um, will nicht nur die Bilder sehen, sondern auch wissen, wie Jonathan wohnt.
    Â»Sieh nicht so genau hin«, sagt er, ihrem Blick folgend. »Ich hätte hier längst was verändern müssen, sieht schlimm aus, ich weiß. Überall noch diese Lücken.« Natalie weiß, was er damit meint, es sind die Stellen, an denen offenbar die Möbel seiner Exfreundin gestanden haben und die sie mitgenommen hat, als sie auszog. Die beiden müssen eine ganze Weile zusammengelebt haben, es sind Staubränder zu sehen, wo Möbel von der Wand abgerückt wurden. Also hat auch er eine Lücke in seinem Leben zu verschmerzen, überlegt sie; das also verbindet uns. Auch Jonathan hat es noch nicht geschafft, das Loch in seinem Leben wieder zu schließen. Auf seinem Sofa aus grauem Webstoff liegen T-Shirts und ausgelesene Zeitungen, den niedrigen Tisch davor zieren Ränder von übergeschwapptem Tee und Brötchenkrümel. Seine Bücher und CDs jedoch stehen ordentlich aufgereiht in den weißen Bücherregalen, während vor dem Fenster eine Yuccapalme, die dringend einen größeren Topf bräuchte, auf frisches Wasser wartet, obwohl die Gießkanne neben ihr steht. Vielleicht hat sie die Pflanze immer gegossen. Mit einem Schritt ist Natalie am Fenster und versorgt die Palme, Jonathan lacht leise und bedankt sich.
    Dann sieht sie zu, wie er, nicht ohne sich vorher ihrer Zustimmung zu vergewissern, den Karton auf seinen Schreibtisch stellt und nach und nach Max´ Sachen herausnimmt. Ein Stift nach dem anderen, seine Radiergummis, Farben und Pinsel finden zwischen Jonathans eigenen Utensilien ihren Platz, mischen sich in Schubladen und Kästen unter das Vorhandene, bis der Pappkarton leer ist.
    Â»Wie ein weiterer Abschied von Max«, sagt sie leise, nachdem Jonathan ihn sorgfältig zusammengefaltet und auf einen Stapel Altpapier gelegt hat. »Aber es ist gut so. Komisch, ich habe das Gefühl, als ob er gewusst hat, dass seine Sachen in die richtigen Hände kommen. Dass ich dafür sorgen würde, meine ich.«
    Â»Ich werde sie pfleglich behandeln«, verspricht Jonathan beinahe feierlich, »und bestimmt oft an deinen Bruder denken, wenn ich sie benutze. Es wird lange dauern, bis sie aufgebraucht sind.«
    Â»Und auch dann wird Max nicht vergessen«, beschließt Natalie beinahe trotzig. Sie spürt, dass Jonathan sie gern in den Arm nehmen möchte, aber es erscheint ihr nicht richtig. Die letzten anderthalb Tage haben sie und ihn mehr miteinander verbunden, als Natalie es je mit einem anderen Menschen erlebt hat, den sie vorher noch nicht kannte, aber es hatte seinen Grund, Max´ Malsachen hatten dies vollbracht. Weil sie Jonathan gehörten, ohne dass Natalie es geahnt hatte und weil er sensibel mit ihr umgegangen war, nachdem er erfahren hatte, weshalb die Sachen überhaupt zum Verkauf standen.
    Jonathan blickt auf seine Staffelei, die nahe am Fenster steht, und Natalie spürt, dass er jetzt gern zeichnen würde. Sie kann es ihm nicht verdenken; auch auf ihn sind in den letzten Stunden viele neue Eindrücke eingeprasselt. Für einen jungen Kunststudenten, der nichts weiter wollte als ein Schnäppchen im Internet zu ergattern, muss es heftig sein, damit konfrontiert zu werden, dass die Sachen einem Toten gehören und dessen Welt plötzlich vor ihm liegt wie eine riesige klaffende Wunde. Vielleicht will er allein sein, sie hat ihm viel zugemutet, Jonathan hätte das alles nicht tun müssen, was er für Natalie getan hat. Er hätte darauf bestehen können, den Karton ausgehändigt zu bekommen und so rasch und unverfänglich wieder aus ihrem Leben verschwinden, wie er eigentlich gekommen war. Vielleicht ist er jetzt überwältigt von allem, vielleicht

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