Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
Vom Netzwerk:
Stunde ein. Und wenn du willst, pauken wir für die Klausur zusammen. Alleine ist es sowieso öde.«
    Â»Danke«, sage ich lahm. Paul ist kein übler Typ, hilfsbereit ist er auf jeden Fall, er lässt mich nicht hängen. Trotzdem, oder gerade deshalb, fühle ich mich immer klein neben ihm, weil ich ihm nie in einer Sache voraus bin und es nichts gibt, worin er einmal meine Unterstützung benötigt. Paul weiß alles, kann alles und lässt mich großzügig daran teilhaben, er tut das, ohne auf mich herabzusehen oder zu sagen, jetzt bist du aber auch mal dran, Kumpel, du kannst nicht immer nur nehmen. So ist Paul nicht. Ein Dreivierteljahr jünger als ich, ist er trotzdem immer ein wenig wie der ältere Bruder, dem der jüngere nacheifert.
    Â»Genug von Mathe«, sagt er und scheucht den Gedanken an mein Hassfach mit einer einzigen Handbewegung fort. »Ich wollte dich was ganz anderes fragen – das heißt, eigentlich deine kleine Schwester, aber die ist eben wortlos an mir vorbeigedampft, als hätte sie die Wut der ganzen Welt in ihre Tasche gepackt. Es geht um meine Geburtstagsfete.«
    Â»Hab schon gehört, dass du ein Mega-Event daraus machen willst.«
    Â»Hat Anni es dir erzählt? Auch das mit der Band?«
    Â»Band? Welche Band? Nein.« Ich schüttle den Kopf und sehe Annika an, sie jedoch scheint meinen Blick nicht zu bemerken.
    Â»Natis Band«, erklärt Paul. »Ich wollte sie fragen, ob sie auf meiner Fete spielen, das fänd ich super. Aber es schien mir nicht der richtige Zeitpunkt zu sein, sie zu fragen. Ist dicke Luft bei euch zu Hause, wie?«
    Annika beginnt unvermittelt zu singen, irgendeinen Song aus den Charts, es klingt übertrieben und sie trifft die Töne nicht sauber. Das macht sie öfter, ich gehe selten darauf ein, weil es mich nervt. Jetzt jedoch blickt sie Beifall heischend zwischen Paul und mir hin und her.
    Â»Oder ich buche eine tolle Sängerin«, lacht er und zwinkert ihr zu.
    Das Leuchtsignal über dem Haupteingang dreht sich, Zeit ins Schulgebäude zu gehen. Annika hat am Tor Johanna, eine Freundin aus ihrem Deutsch-Leistungskurs entdeckt. Noch einmal strahlt sie Paul an, ehe sie sich mit einem schnellen Kuss von mir verabschiedet und zu ihr eilt.
    Â»Nicht dicker als sonst«, antworte ich ausweichend auf die Frage von vorher, als sie außer Hörweite ist. Paul hat seine Hand in meinen Nacken gelegt und schiebt mich voran, es ist gut, dass er da ist, auch wenn er mich nervt mit seinem ewigen Strahlen, seiner guten Laune, seinem goldenen Griff bei allem, was er anpackt. »Und klar, frag Natalie. Die freuen sich immer, wenn sie mal auftreten können, aber der Sänger besteht auf ‘ner Gage, soweit ich weiß. Der muss davon leben.«
    Â»Kein Ding. Fragst du sie für mich? Den Rest regel ich dann schon.«
    In der großen Pause schaffe ich es gerade so, die Mathe-Hausaufgabe abzuschreiben, und auch dabei kapiere ich sie nicht. Genauso planlos sitze ich später in der Stunde neben Paul, schreibe mit, was mitzuschreiben ist, melde mich ein oder zwei Mal um eine Frage zu stellen, das war es auch schon. Die meiste Zeit sehe ich Brückner beim Unterrichten zu, ich mag seine ruhige, sachliche Art zu erklären, die klugen, sensiblen Witze, die er ab und zu macht, seine langsamen, bedächtigen Schritte, mit denen er beim Reden durch die Klasse wandert. Brückner ist ein cooler Typ, mit seinen grauen Locken und dem Schnauzbart hat er was von Einstein, sieht aber nicht so verrückt und ungepflegt aus. Seine Haare sind gut geschnitten und in Form gekämmt, sein hellgraues Jackett, das er zu Jeans und Oberhemd trägt, unterstreicht seine Autorität. Und ich mag seine Lachfalten – nach den Sommerferien sind sie immer weiß zwischen den gebräunten Stellen in seinem Gesicht, aber das sieht man nur, wenn er ernst ist. Also muss er im Urlaub immer viel zu lachen haben. Brückner kann nichts für sein Fach und ich nichts dafür, dass ich eine Niete darin bin, das wissen wir beide. Am Ende der Stunde habe ich immerhin eine leise Ahnung von der Kurvendiskussion, die wir zu heute anfertigen sollten – vielleicht hänge ich mich vor der Klausur doch noch mal rein. Für Brückner, für mich. Nicht für meinen Vater.
    Am Ende der Doppelstunde, während die anderen bereits ihre Sachen packen, stellt er sich so, dass er mich genau im Blick hat und hebt die

Weitere Kostenlose Bücher