Dann mach ich eben Schluss
gestern immerzu geredet hat. Sie hat es nur freundlicher verpackt.«
»Das hätte sie mal bei mir versuchen sollen.« Natalie klappt den Block zu. »Du lässt dir viel zu viel gefallen. Also, bist du so weit? Gehen wir?«
Der Motor meines Autos heult auf, als ich es aus der Parklücke steuere und Gas gebe. Meine Eltern haben ihn mir zum Achtzehnten geschenkt, einen VW Polo als Jahreswagen in Silbermetallic, Schwarz wäre mir lieber gewesen und auch wichtiger als die Sportausstattung innen, aber Papa fand, wenn man solche Extras mitnehmen kann, sei die Farbe der Karosserie zweitrangig.
»Wenn du jetzt jemandem hinten reinfährst, ist dir auch nicht geholfen«, beschwört mich Natalie und legt vom Beifahrersitz aus beruhigend die Hand auf meinen Unterarm. »Setz dich lieber mal richtig gegen Papa durch, das schaffe ja sogar ich, dabei muss ich noch zwei Jahre lang warten, bis er mir endgültig nichts mehr zu sagen hat. Aber du â du könntest sogar ausziehen, ohne dass er dir da reinreden kann.«
»Und wie stellst du dir das vor, ohne eigenes Geld?«
Sie sieht mich an als hätte ich gesagt, meine Lieblingssendung im Fernsehen sei das Sandmännchen.
»Das haben andere auch geschafft. Sie müssten dir das Kindergeld auszahlen und du kannst neben der Schule jobben, in den Ferien sogar Vollzeit. Und wenn Papa sich erst mal daran gewöhnt hat, dass du auf eigenen Beinen stehst und trotzdem nicht im Rinnstein pennst, gibt er dir bestimmt hin und wieder das eine oder andere Scheinchen dazu.«
»Klingt verlockend«, gebe ich zu. »Aber ich schaffe den Stoff so schon kaum. Wenn ich nachmittags noch arbeiten gehe, fallen meine Zensuren bestimmt erst recht ab.«
»Du schaffst den Stoff«, widerspricht meine Schwester. »Du stehst nur nicht in jedem Fach auf der Eins.«
»Genau das wird aber von mir erwartet.«
»Max, es ist dein Leben. Du entscheidest, wie du es verbringen willst und sonst niemand. Wenn du morgen aufwachst und entschlossen bist, StraÃenkehrer zu werden, könnte er auch nichts dagegen sagen.«
»StraÃenkehrer«, wiederhole ich und muss lachen, denn genau jetzt biegen wir in die StraÃe ein, wo Annika wohnt, ich nehme den Fuà vom Gas und lasse den Wagen ausrollen, während wir an den gepflegten Vorgärten vor den weià gestrichenen Einfamilienhäusern vorbeifahren, die alle gleich aussehen, Natalie hat einmal gesagt, hier stinke alles nach Geld. Ich stelle mir mich selber hier als StraÃenkehrer vor, in schmuddeliger Latzhose und mit derben Schuhen das Laub von gestern zusammenfegend, damit Annikas edle Schuhe nicht beschmutzt werden.
»Sag nicht, wir holen deine Tussi ab«, bemerkt Natalie.
»Rede nicht so über sie«, antworte ich. »Ich habe es ihr versprochen.«
Natalie will noch etwas erwidern, da öffnet sich die Tür des Hauses mit der Nummer zwölf, und Annika kommt heraus. Ein wenig muss ich lächeln, als ich sie sehe. Meine Freundin ist schon verdammt hübsch und versteht es, ihre äuÃerlichen Vorzüge zu unterstreichen. Ihre Kleidung zeugt wie immer von einem gewissen Understatement, sie mixt perfekt sitzende Markenjeans mit preiswerten Blusen und Shirts, die sie wiederum mit edlen Ketten und Gürteln aufpeppt. So wirkt sie nie überstylt, auch ihr schwarzer Wollmantel kann über diesen Eindruck nicht hinwegtäuschen, so perfekt er auch sitzt mit dem figurnahen Schnitt und dem schmalen Taillengürtel. Ihre eiligen Schritte lassen ihr dunkelblondes langes Haar leicht nach hinten wehen. Annika lächelt, und ich weià schon jetzt, wie sie duften wird, wenn sie gleich zu uns ins Auto steigt.
Sie öffnet die Beifahrertür; erst jetzt scheint sie zu bemerken, dass auch meine Schwester mit im Wagen sitzt.
»Oh, Natalie«, stöÃt sie mit geweiteten Augen hervor. »Sollen wir dich mitnehmen? Dann musst du dich hinter mich setzen.«
Natalie bleibt sitzen, wo sie ist. In manchen Dingen kann sie verdammt stur sein. An winzigen Tropfen, die auf die Windschutzscheibe fallen, sehe ich, dass ein leichter Nieselregen eingesetzt hat.
»Du hast da was nicht kapiert.« Meine Schwester lächelt Annika an. »Max und ich nehmen dich mit, nicht umgekehrt.«
Annika stutzt, als habe sie einen solchen Widerspruch nicht erwartet. Aber sie bleibt stehen. Ich denke daran, dass der Motor die ganze Zeit läuft, Benzin verbraucht und die
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