Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)
Josephine – es wäre SOOO schön, wenn wir immer zusammen Dienst haben könnten!«
»Nee, du – lass mal gut sein. Mir reichen vier Kinder …«
Uups! Passiert.
Zwei Millisekunden braucht es, dann hat die Nachricht Bambis Großhirnabteilung für Ich-habe-es-verstanden! erreicht. Die untertellergroßen Augen bis zum Anschlag aufgerissen, wandert ihr Blick augenblicklich eine Etage tiefer.
Okay – eine Kollegin weiß es jetzt. Und der Rest wird auch bald folgen.
Von Kindern, Monstern und dem Ende schöner Freundschaften
»Happy Birthday to youuuuu!«
Auf dem Tisch steht mein Lieblingskuchen und kokelt unter der gewaltigen Anzahl Dutzender brennender Kerzen heimelig vor sich hin. Die Blütenköpfe des riesigen Tulpenstraußes direkt daneben wippen fast taktgerecht im warmen Aufwind der Flammen, während meine Familie voll Inbrunst ihr Geburtstagsständchen in den frühen Morgen schmettert.
Blöde Hormone. Mit dem Zipfel meines Schlabber-T-Shirts wische ich mir ein paar Tränchen aus den Augenwinkeln. Kind eins, männlich, tätschelt liebevoll meine Schulter. Sein jugendlicher Bass bringt das Fruchtwasser in mir lustig zum Schwingen, was das kleinste Chaos, frisch aus dem embryonalen Schlaf gesungen, dazu veranlasst, empört gegen meine Bauchwand zu hämmern. Tja, Baby, gewöhn dich dran. So ist das, wenn man in eine große Familie geboren wird.
Danach gibt es Umarmungen und Küsse, Geschenke und noch mehr Umarmungen. Und noch mehr Küsse. Mir wird Kakao gebracht, ein Brötchen geschmiert, die Zeitung gereicht. Alle freuen sich. Ich freu mich. Tolle Kinder haben wir, jawoll. Echt tolle Kinder.
Apropos Kinder. Elternsein hebt die Welt aus den Angeln, darin sind wir uns wohl alle einig. Gravierend und nachhaltig. Und manchmal ändert Elternschaft Menschen, die man schon jahrzehntelang gut zu kennen glaubte, gravierend und nachhaltig . Diese Menschen mutieren dann just nach Geburt des ersten Kindes von völlig normalen Leuten zu einer der folgenden Elterngruppen:
Die Flexibel-wie-eine-Bahnschwelle-Eltern
Wir alle kennen sie – Freunde, mit denen immer etwas Tolles geht. Spontan und manchmal sogar ein bisschen verwegen. Die Sorte, mit der man neben Pferden auch noch Äpfel, Kirschen oder Lamborghinis stehlen kann. Freitagmittag, 15 Uhr, spontan zum Kurztrip nach Rom angefragt? Kein Problem – Ann-Kathrin hat einen Notfall-Rom-Koffer immer einsatzbereit neben der Haustür stehen. Pool-Party in Hennings Badewanne in 20 Minuten? Alles roger! – er lässt schon mal das Wasser ein.
Dann heiratet Henning Ann-Kathrin, Nachwuchs kündigt sich an – und kaum ist das Kindele geboren, geht nichts mehr! Rien ne va plus! Spontane Einladung zum Grillen vielleicht? Was Einfaches für den Anfang?
»Geht gar nicht ! Jule-Ariane muss doch um 17 Uhr ein halbes Gläschen Pastinakenbrei essen und pünktlich um 18.30 Uhr aufstoßen – sonst schläft die nachts nicht durch!«
Allein beim Gedanken an den gestörten Pastinaken-Ablauf bekommt Ann-Kathrin hektische Flecken auf dem Dekolleté. Henning nickt nur stumm mit leerem Blick. Neben der Spontanität ist leider auch das Bier zum Grillen flöten gegangen. Armer Henning!
Nun – dann vielleicht bisschen spazieren gehen am Ufer des nächstgelegenen Sees, gegebenenfalls mit Zwischenstopp am Kinderspielplatz?
»Waaaaaaaaaas? Schon Sonntag in drei Wochen? Nee, das geht nie und nimmer! Jule-Ariane hatte gerade eine Erkältung, da ist so viel frische Luft gar nicht gut!«
Sie denken: totale Übertreibung? Oh, nein – es ist leider die traurige Wahrheit. Und es gibt noch mehr tolle Beispiele.
Kristina und Jan, deren Kind zwei Jahre lang strickt nach Plan gestillt wurde. 8 Uhr, 12 Uhr, 16 Uhr, 20 Uhr, 2 Uhr morgens – fertig! Schöner als die deutsche Bundesbahn es je ersinnen könnte und absolut zuverlässig pünktlich. Das wurde durchgezogen, komme, was da wolle, selbst bei einem Weltuntergang um 16.01 Uhr hätte Merle-Klara-Sophie ihren Vier-Uhr-Schoppen noch bekommen. Ganz sicher! Allerdings – Spontan-Ereignisse konnten mit diesem Knebelplan leider nicht mehr wahrgenommen werden. Und selbst langfristig geplante Aktionen konnten noch in letzter Sekunde gekippt werden. Ohne Angabe von Gründen. Die Einhaltung des heiligen Planes war Grund genug für alles. »Das müsst ihr doch verstehen?!«
Aber wann immer es doch zu einem Zusammentreffen der Familien kam, ging der Spaß erst richtig los. Denn nachdem Merle-Klara-Sophie endlich glücklich
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