Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)
umziehen!«
»…?« (nuschel) »…!« (nuschel) »…?!« (nuschel) »…!«
Hatte ich es schon erwähnt? Kollege Jupiter hat, abzüglich seiner sonstigen sozialen Defizite auch noch ein ausgeprägtes Nuschel-Problem.
»Fred, ich habe kein Wort verstanden, aber schaff dich raus hier, ich will mich umziehen und endlich heim!«
Missmutig weiter in seinen imaginären Bart brummend, räumt Fred widerwillig das Feld, und ich kann mich endlich in Windeseile umziehen. Keine drei Minuten später habe ich das Haus verlassen. Fünfzehn weitere Minuten später parke ich vor dem heimischen Supermarkt und gehe gedanklich schon einmal die Liste aktueller Schwangerschaftsgelüste durch: Bruscetta mit ordentlich Knoblauch vorneweg. Dann eine schöne Portion Spaghetti Bolognese und im Anschluss ein lecker Eis mit Sahne – DAS brauch ich jetzt, um diesen Tag adäquat beenden zu können. Und damit Wilma auch morgen noch allen Grund zum Lästern hat.
Sechster Schwangerschaftsmonat
Warum niedergelassene Ärzte einem sogar die Pest schicken können
»RIIIIIINNGGG.« Der penetrante Klingelton des Diensthandys reißt mich aus meiner mittäglichen Schwangerschaftslethargie. Gemütlich in ein teddybärverziertes Stillkissen (Prädikat: besonders geschmacksverirrt) gelagert, fläze ich auf dem großen Familienkreißbett herum, während ich mein wohlverdientes Schwangerschaftsnickerchen halte.
Es ist der Freitag nach Feiertagsdonnerstag, und darum klinikweit absolut tote Hose angesagt – der Chef im langen Wochenende, keine OPs auf dem Plan, keine Entbindungen am Laufen –, Entspannung hoch drei an allen Fronten. Wäre da nicht dieser nervtötende, kleine Lärmkasten.
»Bambi – geh du ran!«
Es ist so toll, die dienstältere Kollegin zu sein.
Bambi, in lilagrüngepunktetem Stillkissen neben mir liegend, drückt brav den grünen Knopf und haucht ihr ewig atemloses »Jaaaaaaaaa?« ins Handy. Sie lauscht. Sie nickt. Nickt wieder. Bekommt große Augen – und mir schwant Übles. Dann kommt es:
»Einen Augenblick bitte, ich gebe Sie an meine Kollegin, Frau Dr. Chaos, weiter!« Wild mit den Armen fuchtelnd und anschauliche Gesten in die Luft malend, versuche ich noch, das Unheil abzuwenden, doch: zu spät! Da habe ich den Hörer bereits am Ohr.
Die Dame am anderen Ende der Leitung ist eine niedergelassene Kollegin, die wiederholt und gerne Patientinnen vorbeischickt. Patientinnen, mit denen sie nichts anfangen kann. Patientinnen, die sie nicht leiden kann. Oder Patientinnen, die am Brückentag kurz vor Praxisschließung bei ihr auftauchen und die sie deshalb schnellstmöglich wieder loswerden möchte.
Ich blitze Bambi böse von meiner Seite des Kreißbettes aus an und raunze ein wenig ermunterndes »JA?« ins Telefon. Bambi zieht den Kopf ein und schaut schuldbewusst.
»Frau Dr. Josephine Chaos«, säuselt es süßlich an mein Ohr »Ich hab hier eine gaaaaaaaaaaaaaanz nette, junge Patientin mit gaaaaaaaaaaaaaanz argen Bauchschmerzen und einer gaaaaaaaaaaaaanz großen Zyste am Eierstock – darf ich die Ihnen wohl mal schnell vorbeischicken?«
Augenblicklich kommen mir vier Antwortmöglichkeiten in den Sinn:
Antwort A: »Danke, nein, ich stehe nur auf gutsituierte Gentlemen fortgeschrittenen Alters!«
Antwort B: »Sicher dürfen Sie sie vorbeischicken – und wann soll sie wieder zu Hause sein?«
Antwort C: »Wer ist hier der Facharzt – SIE oder ICH? Stellen Si e eine Diagnose, schreiben Sie sie auf den rosa Zettel und dann mache ich , was gemacht werden muss!«
Antwort D: »Können Sie Ihre Patienten nicht selbst behandeln? Sie sind doch schon groß, oder?«
Ich HASSE solche Anrufe. Die sind nämlich kein bisschen nett gemeint, sondern dienen lediglich dazu, vor der betreffenden Patientin gut auszusehen. »Sieh her, ich schicke dich in die Klinik, wo du ganz toll versorgt wirst, und kümmere mich auch noch darum, dass die wissen, worum es geht!« Somit hat man die Patientin schön weitergeturft, ohne sich die Hände schmutzig gemacht zu haben, und ist trotzdem der Held! Der Arzt, der sich kümmert. Dem die Frauen vertrauen. Großes Tennis!
Ich seufze ein klein wenig in mein Telefon, obwohl ich weiß, dass es nichts nutzen wird – ICH bin die Klinik, SIE ist die Praxis –, wenn sie will, kann sie mir sogar die Pest schicken, und ich muss auch noch »Danke« sagen. Super!
»Wie schnell kann die Patientin denn da sein?«
Am anderen Ende wird nun die Hand offensichtlich vor die Hörermuschel gelegt, und es
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