Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)
lockig fast bis zur Hüfte fällt und dezent nach Schweiß und kein bisschen geduscht riecht. Ich denke mir: Wie gut es doch ist, dass das willkürliche Ein- und Ausschalten der Riechnerven Grundvoraussetzung für die gynäkologische Facharztprüfung ist.
»Frau Öko, wie kommt es nur, dass Sie in all den Wochen Ihrer Schwangerschaft gerade zweimal beim Frauenarzt aufgetaucht sind?«
Ich gebe zu: Ich bin ein wenig angefressen. Nicht aufgrund der massiven Riechbelästigung, das gehört zu dem Job nun mal dazu wie Kinder kriegen und Abstrich entnehmen. Nein, mich nervt die nicht stattgefundene Schwangerschaftsvorsorge. Es macht einem das Leben nämlich unnötig schwer, wenn keiner genau weiß, ob das Kind, das demnächst geboren werden soll, schon reif für diese Welt oder eben viel zu früh, vielleicht unterzuckert oder gar komplett unterversorgt ist. Whatever! Ich meine – klar kann jede Frau machen, was sie will. Keine Vorsorge – BITTE! Kein Ultraschall – KEIN Problem! Aber dann soll sie doch gerne WOANDERS entbinden, denn hier bin ICH für die kleinen Rüben zuständig, und wenn es denen nach der Geburt dreckig geht, nehme ich das persönlich. SO ist das nämlich!
Frau Öko kann weder meine Wut noch Sorge nachvollziehen – sie hätte jetzt – bitte, danke – ihre ambulante Entbindung und fertig.
»Sie arbeiten ja schließlich noch. Haben Sie IHR Kind mal gefragt, ob es das gerne möchte?«
Mieser Seitenhieb. Damit hat sie mich leider gerade meiner kompletten Argumentationsgrundlage beraubt. Eins zu null für die Frau im Hippiekostüm.
Dann lässt sie mich noch wissen, dass sie gerne das komplette Kein-Programm hätte: Kein Ultraschall, keine Braunüle und schon gar keinen Arzt bei der Geburt. Bitte sehr, bitte gleich. Gloria tätschelt mir besänftigend die Schulter, während ich einfach nur einatme und ausatme. Immer nur ein- und ausatme…
»Ich hänge Frau Öko mal ans CTG, und dann sehen wir weiter!«, säuselt sie, zwinkert mir energisch-verschwörerisch zu – und schiebt mich dann bestimmt zur Kreißsaaltür hinaus.
»Ich mach das schon – schau du mal nach der Vier!«, raunt sie noch schnell und – peng –, zu ist der Kreißsaal!
Kreißsaal Numero IV malt gerade wunderschöne Herztonkurven über noch schöneren Wehenhügeln – sollte dies der Lichtblick meines drögen Dienst-Tages werden? Soll er nicht. Denn Frau Viers Einweisungsdiagnose zerschlägt meine Hoffnung augenblicklich mit dem lapidaren wie folgenschweren Satz:
»Zweitgebärende mit Verdacht auf makrosomen Fetus sowie Zustand nach Sectio bei Geburtsstillstand.«
Zu Deutsch: Kaiserschnitt beim ersten Kind, weil es nicht voranging. Und jetzt bekommt sie wohl ein zu dickes Baby. Herzlichen Glückwunsch! Zu allem Unglück ist Frau Vier auch noch mikroskopisch klein, wie ich kurz darauf feststellen muss, während ihr Mann wiederum ein Berg von einem Kerl ist. Und bei einem kurzen Blick auf den monströsen Bauch der zarten Person scheint es leider ganz eindeutig zu sein, in welche Richtung der Viersche Nachwuchs schlägt.
Davon abgesehen ist Familie Vier einfach unglaublich sympathisch, unfassbar motiviert und gottlob unwissend, was meine Bedenken hinsichtlich dieser Geburt angeht. Obendrein wollen die beiden dieses Mal »auf alle Fälle« eine spontane Entbindung erleben. Na, dann ist ja alles gut …
Ich will ja ganz sicher nicht der Spielverderber sein, aber eine normale Geburt erscheint mir in diesem Fall gerade extrem unwahrscheinlich. Um nicht zu sagen: Die Wahrscheinlichkeit geht meiner Meinung nach gegen null. Aber ich lass mich sehr gerne eines Besseren belehren. Also kläre ich die zwei Vierer einmal rundum sorglos und völlig vorschriftsmäßig auf: über die Möglichkeit eines erneuten Geburtsstillstandes mit nachfolgendem Kaiserschnitt (das gleiche Prozedere wie beim letzten Mal!), das Steckenbleiben der kindlichen Schulter und alle möglichen anderen Komplikationen. Das Paar ist verständlicherweise nicht sehr erfreut darüber, mit all diesen Wenns und Abers konfrontiert zu werden, aber sie wollen es dennoch zumindest probieren.
Also lasst die Spiele denn beginnen.
Der Ausgangsbefund ist nur mäßig euphorisierend: Der Muttermund ist gerade mal für einen Hebammen-Finger durchgängig, der Gebärmutterhals noch komplett erhalten, also circa vier Zentimeter lang. Was alles in allem etwa gleichbedeutend ist mit »absolut unreif«. Geschlossen, dauert noch, Baby kommt was später.
Uhrenvergleich: Null
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