Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)
gemacht, und deshalb blicke ich nun – statt auf einen weitgeöffneten Muttermund nur auf den Mund der Mutter . Und da sie gerade wie abgerissen brüllt, kann ich in der Tiefe sogar die Epiglottis sehen. Und Mageneingang. Magenausgang …
»Josephine – schläfst du noch? Mach jetzt mal hinne hier, datt Kind is’ gleich durch!«
Mit strengem Blick, die Handschuhe bis zum Ellenbogen hochgezogen, hängt O-Helga über dem im 45-Grad-Winkel fixierten Kopfteil des Entbindungsbettes, welches ja nun das Fußteil darstellt und versucht – das Geburtssieb mit dem Ellenbogen festhaltend –, gleichzeitig Damm und durchschneidendes Babyköpfchen zu schützen.
»Was zum Teufel …!«, entfleucht es mir, bevor ich mühsam, über das Seitenteil des Bettes kletternd, zum eigentlichen Ort des Geschehens gelange. Böse schielt die Hebamme mich von der Seite an.
»Solltest du nicht langsam mal in Mutterschutz gehen? Solche Kletteraktionen sind nichts für hochschwangere Frauen!«
»Ich schwöre, sobald dieser Dienst vorbei ist, bin ich raus aus der Nummer!« Wild schnaufend bringe ich meinen eigenen Bauch gerade noch rechtzeitig auf dem Kreißbett unter, als Frau Drei auch schon munter erneut das Pressen anfängt, und mit einem einzigen Flutsch ein schwarzhaariges, winziges Etwas in O-Helgas vorsorglich zum Auffangen bereite Hebammenhände ploppt. Mit einer geschickten Bewegung hat sie den kleinen Flug-Säugling auch schon in warme Mullwindeln eingeschlagen und der Sechs-Uhr-Mutter auf den Bauch gepackt. Ich reiche gerade Klemme und Schere zum Durchschneiden der Nabelschnur an, als hinter mir die Tür auffliegt und Soli hereinstürmt.
»Josephine – Zugang! Schnell!«
»Schlack noch eins – wollt ihr mich eigentlich verschaukeln? Wer hat die Leute bloß alle bestellt? ICH NICHT, hört ihr? ICH hatte beim Universum einen ruhigen Dienst geordert. Das hier hat wer anders verbrochen!«
Laut fluchend, klettere ich über Mutter Drei und Baby Eins zurück Richtung Kreißsaaltür und betrete den Flur gerade noch rechtzeitig, um mit anzusehen, wie Soli die vordere Schulter eines bereits laut schreienden Babys entwickelt, während Gloria-Victoria ächzend das linke Bein der dazugehörigen und wie Schippe acht im Krankenhausrollstuhl hängenden Mutter hält. Ich eile Soli zu Hilfe, die das Kindelein jedoch schon geschickt und sicher im Schoß der Mutter positioniert hat und nun ebenfalls nach Nabelklemme und Schere verlangt.
Okay – das war einfach. Und wenn das Baby schon schreit, bevor es überhaupt komplett geboren ist, kann es ihm nicht schlecht gehen.
»Herzlichen Glückwunsch, Frau Schnell«, gratuliere ich und schüttele der leicht überrumpelt wirkenden jungen Mutter die Hand. »Tolle Geburt! Sie dürfen jederzeit wiederkommen!«
Just in jenem Moment klingelt das Telefon – ein kurzer Blick auf die Uhr, es ist 3.14 Uhr morgens.
»Wenn das die Pforte ist – wir haben nichts mehr frei!«, schnauft O Sole Mia. »Schwangere und Kinder bitte ins Krankenhaus am anderen Ende der Stadt – sonst muss ich Feldbetten besorgen!«
»Hallo – hier Kreißsaal, wer da?«
»Innere Notaufnahme. Ich habe hier eine Patientin, die gerade von einer Afrika-Safari kommt und nun eine gynäkologische Untersuchung wünscht!«
Einatmen, Josephine, und ausatmen. Immer schön ein- und ausatmen …
»Wie passend!«, kontere ich nur minimal gereizt. »Und ich bin eine gynäkologische Ärztin, die sich gerade auf eine Afrika-Safari wünscht!«
Frau Dr. Pille scheint das wenig witzig zu finden. Sie grinst nicht einmal durchs Telefon, sondern wartet lediglich mit eisigem Schweigen auf meine Antwort.
»Okay, Schwester – Butter bei die Fische –, was HAT die Frau denn?«
»Die Frau «, kommt es tiefkühltemperiert zurück, »ist in der fünften Schwangerschaftswoche mit Verdacht auf Malaria bei uns eingeliefert worden, und sie macht sich nun Sorgen um ihr Kind!«
Ächt jetzt? Ich persönlich würde mir ja gerade mehr Sorgen um die Malaria machen. Denke ich mir.
»Also, wissen Sie, ICH würde mir ja mehr Sorgen um die Malaria machen!«, sage ich. Und stoße bei der spaßbefreiten Kollegin auf wenig bis gar keine Gegenliebe.
»Die Patientin ist in wirklich großer Sorge und möchte augenblicklich wissen, wie es ihrem Kind geht!«, giftet sie mir jetzt durchs Telefon entgegen, und ich spüre, wie mein Blutdruck zu steigen beginnt.
»Okay, Kollegin, Lauscher auf und zugehört! Hier im Kreißsaal ist gerade Holland in Not!
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