Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)
Glasklar!«
»Das ist ein Filmzitat!«
»Ich weiß!«
Grinsend verlasse ich das Chefzimmer.
Noch einmal Dienst – dann fertig. Ein langes, wunderbares, ausgeschlafenes Frei. Eigentlich auch nicht schlecht – ich habe tatsächlich noch jede Menge zu tun, bevor das Baby kommt!
Zufrieden pfeifend, mache ich mich auf ins heimische Chaos, dem Mann die frohe Botschaft zu verkünden.
Eine Nacht, vier Hebammen, sechs Geburten und der Anfang vom Ende
»Josephine – komm schnell, wir vergeben gerade Stehplatzkarten vorm Kreißsaal!«
Im Halbschlaf presse ich mein Diensthandy ans kopfkissengewärmte Ohr und reibe mir mit der anderen Hand die paar Minuten Schlaf aus den Augen, die seit meinem Zwischenstopp im Bereitschaftsbett vergangen sind.
»Komme«, murmele ich komatös in die Sprechmuschel. Die Erdanziehungskraft muss heute doppelt so stark sein, denn nur unter Mobilisation aller um diese Uhrzeit vorhandenen Kräfte gelingt es mir, mich von Matratze und Bettdecke zu trennen. Okay, wahrscheinlich ist es nicht nur die Erdanziehungskraft, sondern auch das 12-Kilogramm-extra-Schwangerschaftsgewicht und der Achtunddreißigste-Schwangerschaftswoche-Babybauch, der das Aufstehen ein wenig in die Länge zieht. Aber keine zwei Minuten später stehe ich trotzdem vor meinem Dienstbett und stelle fest: Es ist Sonntagmorgen, 3 Uhr früh, und seit nunmehr 19 Stunden hält mich der schlimmste Vollmonddienst ever fest in seinen Klauen. Was um alles in der Welt hat mich nur dazu getrieben, hochschwanger noch einmal Dienst zu schieben? Ich fasse es einfach nicht.
Als ich die heute gefühlt 1000 Meter Klinikflur und drei Stockwerke zwischen Bereitschaftszimmer und Kreißsaal hinter mich gebracht habe und schwitzend und schnaufend ins Aquarium gewatschelt komme, sitzt Gloria-Victoria, das Kinn in die Hand gestützt, mit irrem Blick vorm lindgrünen CTG-Monitor und starrt auf sage und schreibe fünf unterschiedliche Herztonableitungen, was für fünf Mütter in fünf Kreißsälen und somit jede Menge Arbeit spricht.
»Gloria? Was machen die beiden Frauen vor unserer Tür?« Auf meinem Weg zur Doppelschnappschlosstür bin ich nämlich geradewegs in zwei schwanger bis hochschwanger aussehende Mädels gerannt, die dort lustig schnaufend auf und ab laufen.
»HMPF!!!«, tönt es dumpf unter Glorias goldblondem Pony hervor. »HMPF!!!« Sonst nichts.
»Würdest du mir ›HMPF‹ liebenswürdigerweise übersetzen? Ich kann dir nicht ganz folgen!« Ein wenig unwirsch wechsele ich von einem Bein aufs andere – denn zwei der fünf CTGs schauen nicht schön aus, und ich fürchte, dass eine Hinauszögerung des Problems dasselbe nur noch vergrößern könnte.
»Wir sind voll bis unters Dach, und die zwei da draußen haben sich bis jetzt nur für einen Stehplatz vorm Kreißsaal qualifizieren können!«, tönt eine wohlbekannte Stimme aus dem Off: Auftritt Frau von Sinnen über links ins Set.
»Wow – zwei Hebammen mitten in der Nacht – ihr macht mir gerade ein bisschen Angst!«
»Aller guten Dinge sind ja bekanntlich drei!«, dröhnt es nunmehr von rechts. Mit einer ruckartigen Kopfbewegung zur anderen Seite traue ich meinen verschlafenen Augen nicht.
»SOLI? Du AUCH hier? Ist heute Walpurgisnacht? Wollt ihr vielleicht gleich noch eine Runde um den Blocksberg fliegen, ja?«
Zwei Hebammen in einer Nacht sind eine Seltenheit, drei spricht für Land unter. Dann …
»Josephine – meine Patientin presst!« O-Helga, die Oberbefehlshebamme, streckt den Kopf durch Kreißsaaltür III und rollt wild mit den Augen, während ich erfolglos versuche, meine Gesichtszüge unter Kontrolle zu halten.
» Vier Hebammen in einer Nacht in meinem Kreißsaal!«, flüstere ich schockiert vor mich hin, während der Kittel in die nächste Ecke fliegt und ich ergeben die sterilen Handschuhe greife, die mir O Sole Mia hilfsbereit entgegenstreckt.
O-Helga ist eine Hebamme, wie man sie sich nicht schöner ausmalen könnte, mit ihrem grauen Haar und der Goldrandbrille. Typ Clementine aus der Dash-Werbung in den achtziger Jahren – und mit einer Stimme wie der Drill-Sergeant im Bootcamp.
Frau Drei (für Kreißsaal Nummer III) liegt gerade auf 6 Uhr im Bett, was mich erneut ein bisschen ausbremst. Ich bin verwirrt! Patientinnen liegen in dem kreisrunden Kreißbett nämlich üblicherweise nicht auf 6, sondern auf 12 Uhr, also mit dem Kopf nach oben , von Hebamme und Arzt weggerichtet. Diese Frau indes hat es sich mal eben verkehrt herum bequem
Weitere Kostenlose Bücher