Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)
Neunhundertdreißig!
In der Ambulanz wartet derweil mein menschliches Tampon-Depot auf adäquate Behandlung. Die wasserstoffperoxidgebleichte Hochglanzblondine sitzt schon erwartungsvoll-lässig drapiert auf meinem Untersuchungsstuhl, in glänzenden Overknees und den gürtelbreiten Stretchmini bis zum Bauchnabel hochgezogen. Fasziniert betrachte ich die ausladende Oberweite der Frau, die nur mühsam von einem Hauch Nichts zusammengehalten wird, welches den Namen »Bluse« nicht wirklich verdient. Der oberste Knopf dieses durchscheinenden Streifens, nur noch am berühmten seidenen Fädchen hängend, scheint sich sekündlich verabschieden zu wollen, und ich befürchte ernsthaft, während der Untersuchung unter der Masse des Cup-H-Silikon-Busens begraben zu werden, sollte dieser Fall eintreten.
»Hallo – ich bin Dr. Josephine. Sie hätten aber noch gar nicht auf dem Stuhl Platz nehmen müssen. Sitzen Sie schon lange so da?«
Auf dem sorgfältig zurechtgemachten Vier-Millimeter-Make-up-Schicht-Gesicht macht sich greifbare Enttäuschung breit. Der Knopf an Blondies Blusen-Nichts vibriert bedenklich an seinem Fadenrest, als die Kleine nach einer kurzer Schreckpause ihrer Empörung freien Lauf lässt.
»Sie sind ja gar kein Doktor!«
»Verzeihung, aber ich bin sehr wohl ein Doktor. Mit Brief und Siegel, und zwar nicht erst seit gestern!« Das wird ja immer schöner – muss ich jetzt schon in aller Herrgottsfrühe meine Approbationsurkunde vorlegen?
»Womit kann ich Ihnen denn jetzt helfen?«
»SIE«, antwortet Blondie mit verächtlich gekräuselten, grellrot geschminkten Lippen schnippisch, »SIE können mir gar nicht helfen! Ich brauch diesen Doktor. Fred! Doktor Fred, DEN will ich haben!«
Is’ nich’ wahr – Blondie zieht Vollpfosten-Fred meiner Person vor? Unfassbar das!
»Dr. JU-PI-TER«, schmolle ich gekränkt zurück, jede einzelne Silbe nachdrücklich betonend. »Dr. Jupiter ist heute nicht im Haus – Sie müssen schon mit mir vorliebnehmen!« Doch das muss Frau Silikon mitnichten, wie sie mich giftig wissen lässt.
»Sie sind doch eine Frau!« Ach nee! »Und Sie sind ja auch noch …« – angewidert, als käme gleich ein Alien herausgehüpft, wedelt sie mit der Hand in Richtung meines Bauches.
»… schwanger?«, helfe ich ihr freundlich weiter.
»Ja, schwanger !«, spuckt sie mir entgegen. Genauso gut hätte sie »Herpes« oder »Fußpilz« sagen können. Dann springt sie, erstaunlich gelenkig, mitsamt XXL-Oberweite auf ihre Schwarz-Lack-Monster-Overknees, schiebt das Gürtelröckchen energische zehn Millimeter in Richtung Oberschenkel – gerade weit genug, um den Ansatz ihrer großen Schamlippen zu verdecken – und stolziert hocherhobenen Hauptes und ohne ein weiteres Wort an mir vorbei Richtung Ausgang.
Sprachlos blicke ich diesem Prachtweib hinterher, wie sie, wild die Hüften schwingend, über das Krankenhauslinoleum davonhämmert. Notfall hängt derweil quiekend und japsend über dem Verbandswägelchen und wischt sich die Lachtränen aus dem Gesicht.
»Du müsstest dein Gesicht sehen, Josephine! Echt jetzt – du schaust wie ’ne Kuh, wenn’s blitzt!«
Und genau so fühle ich mich auch. Doch viel Zeit bleibt mir nicht, meine akute Befindlichkeit zu überdenken, denn zum gefühlt tausendsten Mal an diesem unsäglichen Morgen klingelt das Telefon und kündigt – mal wieder – den Kreißsaal an.
»Josephine – Zugang!«
»Notfall«, jammere ich selbstmitleidig. »Ich will nach Hause!«
»Aber sicher, Josephine! Kannst du ja auch – in gerade mal …« – kurzer Blick auf ihre am Krankenschwesterrevers baumelnde Uhr – »… zweiundzwanzig Stunden und drei Minuten!«
»Du kannst so unfassbar motivierend sein«, brumme ich vor mich hin, während ich den Weg zurück zum Kreißsaal nehme.
Frau Coco und das Chanel-Déjà-vu
Meine nächste Kreißsaalaufnahme ist ein wunderbares Rund-um-sorglos-Paket: Die Frau bekommt ihr zweites Kind, hat schon einmal normal entbunden, kein Diabetes, kein Übergewicht, keine Vorerkrankungen, fix und fertig am Termin – alles schön. Hurra! Und nett ist sie auch noch.
Nach einem kleinen Aufnahme-Ultraschall (normal großes Kind – Strike!) geht es ab in Kreißsaal I ans CTG, und kaum habe ich Energie in Form eines Doppel-Snickers gezogen, läuft es auch schon munter weiter mit einer privaten Notaufnahme: Frau fortgeschrittenen Alters mit Keine-Ahnung-Was.
Beim Betreten der Ambulanz ist Schwester Notfall gerade dabei,
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