Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)
auf vaginale Blutung‹!«
»Super – sie macht nicht ernsthaft den Eindruck, als würde sie jeden Moment verbluten …«
Es kostet mich fünf Minuten, mein zweites Snickers und die Aufbietung aller mobilisierbaren Kräfte, Notfall zurück ins Ambulanzzimmer zu schleppen. Dort treffen wir dann gleich auf die nächste Katastrophe.
»FANCY-NANCY? Du hier?« Wie aus einem Mund bricht es aus uns heraus. Was um alles in der Welt hat Mrs Wonder-Surgeon hier verloren?
Nancy steht – schön, wie der Herr sie erschaffen hat, in ihren perfekt sitzenden Jeans und einem schweineteuren, fliederfarbenen Kaschmir-V-Ausschnitt-Pulli am wohlproportionierten Astralkörper – an Frau Chanels Seite und – oh-mein-Gott – REDET , während Patientin Sabbel entzückt lauscht.
Unser Auftritt wird von Gottes Geschenk an die Menschheit nur mit eisiger Missachtung gestraft – Nancy ist viel zu schön und viel zu arrogant, um auch nur die Luft mit uns zu teilen, die in dieser stickigen, kleinen Bude steckt. Frau Coco hingegen ist augenblicklich bereit, uns über den Grund dieses ungewöhnlichen, weil unangemeldeten, chirurgischen Privatkonsils in Kenntnis zu setzen.
»DAS«, verkündet sie strahlend und mit stolzgeschwellter Brust unter dreireihiger Süßwasserperlenkette. »DAS ist meine ganz bezaubernde Enkelin Nancy!«
»Is’ nich wahr …!«, entfleucht es Notfall, während ich vergeblich versuche, mich nicht an meiner eigenen Spucke zu verschlucken.
»Das ist …«, würge ich gepresst hervor, »… ja ganz … großartig. Dann kann ihr … Top-Job-Traum-Enkelkind Sie ja … gleich mal chirurgisch … unter die Lupe nehmen, während ich … nach meinen drei bis fünf … Geburten schaue.«
Und schwups – bin ich weg.
»Das kannst du mit mir nicht machen!«, schallt es leiser werdend hinter mir her, während ich mit meinen kleinen dicken Schwangerschaftsfüßchen wegrenne, als gäb’s kein Morgen mehr.
»Lass mich nicht alleeeeeeeiiiiiin …!«
Sorry, Notfällchen, aber besondere Umstände erfordern eben besonderes Handeln!
Die Strafe meines unerlaubten Entfernens von der Truppe folgt auf den Fuß, denn der Kreißsaal-Überwachungsmonitor empfängt mich mit einem mittelunschönen CTG aus Kreißsaal IV, apfelgrün. Kleine Frau, großer Mann, dickes Kind. Und dabei ist es gerade einmal – Uhrenvergleich – Elfhundert! …
Im Auge des Sturmes herrscht trügerische Stille
Laut CTG-Überwachungsmonitor weht Frau Vier weiterhin vorbildlich und zunehmend hochfrequent vor sich hin, was das Kindelein im Mega-Bauch anscheinend nur wenig lustig findet und im Gegenzug mit beleidigtem, wiederholtem Herztonabfall quittiert. Als ich einen Blick auf meine kleine Frau mit dem großen Bauch werfen will, sitzt diese gerade mit wildentschlossener Miene auf einem dunkelgrünen Petziball und hüpft tock-tock-tock-synchron auf und nieder, auf und nieder. Das Gesicht dunkelrot angelaufen und laut prustend, veratmet sie so geradezu vorbildlich eine Wehe nach der anderen – wenn ich auch ein wenig in Sorge bin, sie könne jeden Moment hyperventilierend vom Gummiball fallen.
»Frau Vier – alles im grünen Bereich? Ich würde gerne mal schauen, ob es ein bisschen vorangegangen ist!«
Frau Vier hüpft wild entschlossen weiter, auf und nieder, auf und nieder …
»Ist« – hüpf – »gut« – hüpf – »ich« – hüpf – »muss« – hüpf – »nur« – hüpf – »noch« – hüpf – »diese« – hüpf – »Wehe« – hüpf – »veratmen!« – hüpf …
Gesagt – getan. Der Befund, den ich kurz darauf erhebe, stimmt mich nur wenig euphorisch: Okay, der Muttermund ist minimal weiter geöffnet als vorhin, allerdings führe ich das mehr auf die physikalische Gesetzmäßigkeit der Schwerkraft zurück (Fünf Kilogramm Kind mal Hüpfbeschleunigung – da gibt auch der stärkste Muttermund irgendwann ein, zwei Zentimeter nach!) als auf natürlichen Geburtsfortschritt. Aber wenigstens schaut das CTG – jetzt, nach fünf Minuten ohne wirres Gehüpfe – wieder leidlich manierlich aus. Ich lege Familie Vier also nahe, Ball gegen Badewanne zu tauschen, und mach mich weiter auf den Weg nach Kreißsaal II, wo mein neuester Zugang in Form einer fraglichen Wehentätigkeit gelangweilt auf ihrem Handy herumdrückt, während ihre ebenfalls schwangere Begleitung gerade am Sauerstoffventil der Babyeinheit herumschraubt.
Beide Mädels scheinen nur unwesentlich älter als zwölf Jahre alt zu
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