Danse Macabre
darin einig, daß diese Zeile von
Yeats genügt …, doch Bradbury selbst soll das letzte Wort
haben; es geht um etwas, das die beiden Traum-Kinder aus
GreenTown fasziniert, über die er geschrieben hat:
»Und als Grabstein? Ich würde gerne die große Barbierstange vor dem Barbierladen ausleihen und sie um Mitternacht drehen lassen, falls jemand an meinem Grab vorbeikommt, um Hallo zu sagen. Und dort würde die alte Barbierstange stehen, erleuchtet, die bunten Bänder geheimnisvoll emporgewunden, sich drehend und in höhere Geheimnisse gezwirbelt, für alle Zeiten. Und sollten Sie zu
Besuch kommen, dann lassen Sie einen Apfel für die Geister da.«
Einen Apfel … oder vielleicht eine tote Ratte und eine
Schnur, an der man sie schwingen kann.
7
Richard Mathesons The Shrinking Man (1956, dt: Die unglaubliche Geschichte des Mr. C bzw. Die seltsame Geschichte
des Mr. C) ist ebenfalls ein Fantasy-Roman, der in einem rationalistischen Jahrzehnt, in dem selbst Träume in der Wirklichkeit verwurzelt sein mußten, als Science Fiction eingestuft wurde - und diese falsche Einordnung des Buches ist bis
heute erhalten geblieben, und zwar aus keinem anderen
Grund als dem, daß das in der Verlagsbranche eben so passiert. »Einer der unglaublichsten Science-Fiction-Klassiker
aller Zeiten!« dröhnt es vom Umschlag einer soeben erschienenen Neuausgabe bei Berkley, und damit wird die Tatsache
außer acht gelassen, daß die Geschichte eines Mannes, der
jeden Tag mit der konstanten Geschwindigkeit von einem
Siebtel Zoll schrumpft, selbst die weitesten Gefilde der
Science Fiction hinter sich gelassen hat.
Wie Bradbury, hat auch Matheson kein Interesse an Hard
Science Fiction. Er zaubert eine obligatorische Menge Hokuspokus herbei (mein Lieblingszitat ist, als einer der Ärzte
wegen Scott Careys »unglaublichem Katabolismus« in Ausrufe verfällt), dabei beläßt er es dann. Wir wissen, daß der
Prozeß, der letztendlich dazu führt, daß Scott Carey in seinem eigenen Keller von einer Schwarzen Witwe verfolgt wird,
seinen Anfang nimmt, als er durch eine Wolke radioaktiven
Niederschlags geht; diese Radioaktivität reagiert mit einem
Insekten Vernichtungsmittel, das er ein paar Tage zuvor in den
Körper aufgenommen hat. Dieses Zusammenwirken löst den
Schrumpfungsprozeß aus. Es ist das minimalste Nicken in
Richtung Vernunft, die Version des zwanzigsten Jahrhunderts
von Pentagrammen, mystischen Beschwörungen und bösen
Zaubersprüchen. Zum Glück für uns interessiert sich Matheson, so wie Bradbury, mehr für Scott Careys Herz und Verstand als für seinen unglaublichen Katabolismus.
Man sollte bemerken, daß The Shrinking Man wieder den
alten Radioaktivitäts-Blues spielt und mit der Vorstellung daherkommt, daß Horror-Literatur uns hilft, in symbolischer
Form extern darzustellen, was uns wirklich beunruhigt. Es ist
unmöglich, The Shrinking Man losgelöst von seinem Hintergrund von Atombombenversuchen, ICBMs, der »strategischen Unterlegenheit« und Strontium-90 in der Milch zu
sehen. Wenn wir ihn auf diese Weise betrachten, ist Mathesons Roman (laut John Brosnan und John Clute, die den Matheson-Eintrag in The Science Fiction Encyclopedia geschrieben haben, ist es sein zweites veröffentlichtes Buch, und Mathesons I Am Legend wird als sein erstes betrachtet; ich
glaube, sie haben zwei andere Romane Mathesons übersehen, Someone Is Bleeding und Fury On Sunday) ebenso
wenig Science Fiction wie solche Insekten-Filme wie The
Deadly Mantis oder Beginning of the End. Aber Matheson gelingt in The Shrinking Man mehr als die Darstellung radioaktiver Alpträume; allein der Titel* von Mathesons Roman deutet auf Alpträume von mehr freudianischer Natur hin. Wir
erinnern uns, bei The Body Snatchers hat Richard Gid
Powers festgestellt, daß Miles Bennells Sieg über die Sporen
eine direkte Folge von Miles’Widerstand gegen Entmenschlichung ist, von seinem heftigen Individualismus und seiner
Verteidigung traditioneller amerikanischer Werte. Dasselbe
läßt sich auch über Mathesons Roman sagen**, mit einem
wichtigen Unterschied. Ich finde, daß Powers recht hat,
wenn er behauptet, daß The Body Snatchers weitgehend von
Entmenschlichung handelt, sogar von der Vernichtung der
freien Persönlichkeit in unserer Gesellschaft, aber The
Shrinking Man ist eine Geschichte vom Verlust der Macht der
freien Persönlichkeit und ihrer wachsenden Ohnmacht in
* Wörtlich übersetzt: »Der schrumpfende Mann«. (Anm.d.Übers.)
** Es ist auch nicht das einzige
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