Danse Macabre
Darks Pandemonium Shadow Show - gibt es keine Wahlmöglichkeiten:
Ist man erst einmal im Spiegel des Narziß gefangen, so beginnt man eine gefährliche Karussellfahrt rückwärts in eine
unerträgliche Vergangenheit oder vorwärts in eine unerträgliche Zukunft. Shirley Jackson benutzte die Konventionen des
modernen amerikanischen Schauerromans, um Personen
unter extremem psychologischem
- oder möglicherweise okkultem - Druck zu studieren; Peter Straub benutzte sie, um
die Auswirkungen einer bösen Vergangenheit auf die Zukunft
zu studieren; Anne Rivers Siddons benutzte sie, um gesellschaftliche Zwänge und gesellschaftlichen Druck zu untersuchen; Bradbury benutzt dieselben Konventionen, um uns ein
moralisches Urteil zu präsentieren. Indem er Miß Foleys
Schrecken und ihr Entsetzen beschreibt, als sie die Kindheit
wiedererlangt hat, die sie sich so sehr wünschte, vermeidet er
die potentielle Flut klebrigsüßer Romantik, die seine Geschichte hätte kaputtmachen können …, und ich finde, die ses Vermeiden untermauert die moralischen Urteile, zu
denen er kommt. Trotz einer Bildersprache, die uns manchmal zäh umfängt, anstatt uns emporzuheben, gelingt es ihm,
seinen eigenen klaren Standpunkt zu bewahren.
Das soll nicht heißen, daß Bradbury die Kindheit nicht zu
einem romantischen Mythos macht, denn genau das tut er.
Für die meisten von uns ist die Kindheit an sich ein Mythos.
Wir glauben, daß wir uns daran erinnern, was als Kinder mit
uns geschehen ist, aber das tun wir nicht. Der Grund dafür ist
einfach: Wir waren damals verrückt. Wenn wir als Erwachsene, die, wenn nicht vollkommen verrückt, so doch wenigstens neurotisch, anstatt durch und durch psychotisch sind, in
diesen Brunnen geistiger Gesundheit hinabschauen, dann
versuchen wir, den Sinn von Dingen zu erkennen, die keinen
Sinn haben, interpretieren Bedeutung in Dinge hinein, die
bedeutungslos waren, und erinnern uns an Motivationen, die
einfach nicht existiert haben. Hier fängt der Prozeß des Mythenmachens an.*
Anstatt den Versuch zu unternehmen, gegen diese starke
Strömung anzurudern (wie Golding und Hughes es tun), benutzt Bradbury sie in Something Wicked This Way Comes; er
verschmelzt den Mythos der Kindheit mit dem Mythos des
Traum-Vaters, dessen Rolle hier von Wills Dad, Charles Halloway, gespielt wird … und der, wenn man Ray Bradbury
selbst glauben darf, auch von jenem Elektriker aus Illinois gespielt wird, der Bradburys Vater war. Halloway ist Bibliothekar, der sein eigenes Traumleben lebt, der genügend Junge
ist, daß er Will und Jim versteht, der aber auch erwachsen
genug ist, daß er letztendlich liefern kann, was die Jungs
selbst nicht liefern können, jene letzte Zutat in unserer Wahrnehmung von apollinischer Moral, Normalität und Rechtschaffenheit: Verantwortlichkeit.
Die Kindheit ist die Zeit, beharrt Bradbury, in der man
noch an Dinge glauben kann, obwohl man weiß, daß sie nicht
stimmen können:
»Stimmt ohnehin nicht«, stieß Will hervor. »So spät im Jahr
kommt kein Zirkus mehr. Alles dummes Zeug. Wer geht
denn da hin?«
»Ich.« Jim stand ganz still im Dunkeln.
Ich auch, dachte Will. Er sah vor sich das Ägyptische Spiegelkabinett, die blitzende Guillotine und den schwefelgelben Mann, der flüssige Lava schlürfte wie Tee aus Schießpulver.
* Die einzigen Romane, die mir einfallen, die die Kindheit nicht zu
einem Mythos oder Märchen machen und dennoch als Geschichten
wunderbar erfolgreich sind, sind William Goldings Lord of the Flies und A High Wind in Jamaica von Richard Hughes. Nun wird mir sicher
jemand einen Brief schreiben und darauf hinweisen, daß ich entweder
lan McEwans The Cement Garden oder Beryl Bainbridges#arrief Said hinzufügen sollte, aber auf ihre unterschiedliche Art (aber einmalige
britische Sehweise) verklären diese beiden kurzen Romane die Kindheit ebenso gründlich, wie Bradbury es jemals getan hat.
Sie glauben einfach; ihre Herzen sind immer noch imstande,
den Kopf zu übertönen. Sie sind immer noch sicher, daß sie
genügend Kartons mit Postkarten oder Büchsen voll Cloverjne-Balsam verkaufen können, um ein Fahrrad oder eine Stereoanlage zu bekommen, daß das Spielzeug alles machen
kann, was man im Fernsehen gesehen hat, und daß man es
»innerhalb weniger Minuten mit einfachen Werkzeugen zusammenbauen kann« oder daß der Monster-Film im Kino
drinnen so gut und furchterregend sein wird wie die Aushangplakate. Das macht nichts; in Bradburys Welt ist der Mythos
letzten Endes stärker als
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