Danse Macabre
amerikanische
Dichtung neu zu beleben. Außer Campbell und Herbert, die
hierzulande wohl am bekanntesten sind, gibt es noch Robert
Aickman (den man kaum einen jungen Spund nennen kannaber seit Bücher wie Cold Hand in Mine ihn bei einem breiteren amerikanischen Publikum bekanntgemacht haben,
dürfte es richtig sein, ihn als Bestandteil der britischen New
Wave zu betrachten), Nick Sharman,ThomasTessier, einen in
London lebenden Amerikaner, der kürzlich einen Roman mit
dem Titel The Night Walker veröffentlicht hat, was wahrscheinlich die beste Werwolf-Geschichte der letzten zwanzig
Jahre ist, und eine ganze Reihe andere.
Wie Paul Theroux - ebenfalls ein ausgewanderter Amerikaner, der in London lebt - dargelegt hat, hat die Horror-Geschichte etwas einzigartig Britisches an sich (speziell dieje nige, die sich mit dem Archetyp des Gespenstes beschäftigt).
* Die Betrachtung des Lebens im Mikrokosmos verliert ihre Faszination
auf Schriftsteller nicht; Anfang dieses Jahres veröffentlichte Macmillan Small World vonTabitha King (dt: Das Puppenhaus), eine böse
Komödie um ein legendäres Präsidenten-Puppenhaus, eine nymphomane Präsidententochter und einen übergewichtigen, verrückten Wis senschaftler, der ebenso mitleiderregend wie furchteinflößend ist. Das
1981 veröffentlichte Buch liegt außerhalb der zeitlichen Begrenzung
dieser Studie, was wahrscheinlich auch ziemlich gut ist; die Dame ist
meine Frau, und mein Standpunkt wäre wahrscheinlich voreingenommen. Ich möchte daher nur meiner voreingenommenen MeinungAusdruck verleihen, daß Small World eine herrliche Ergänzung dieses
Sub-Genres ist.
Theroux, der eine eigene subtile Horror-Geschichte geschrieben hat, The Black House, bevorzugt die manierierten, aber
grimmigen Geschichten von M. R. James, und sie scheinen
alles zu summieren, was an der klassischen britischen HorrorStory gut ist. Ramsey Campbell und James Herbert sind
beide Modernisten, und diese Familie ist zwar so klein, daß
sich eine gewisse Ähnlichkeit selbst bei Cousins zweiten Grades kaum vermeiden läßt, aber ich möchte dennoch sagen,
daß diese beiden Männer, die Welten trennen, was Stil, Standpunkt und Ausdruck anbelangt, Sachen schreiben, die aufregend und der Erwähnung wert sind.
Campbell, aus Liverpool (»Sie sprechen wie einer der
Beatles«, staunt eine Frau in Campbells neuem Roman The
Parasite, als sie einen Schriftsteller reden hört), schreibt eine
kühle, fast eisige Prosa, und seine Perspektive seiner Heimat
Liverpool ist stets ein wenig schief, ein wenig beunruhigend.
In einem Roman oder einer Kurzgeschichte von Campbell
scheint man die Welt stets durch den ständigen, dünnen und
veränderlichen Dunst eines LSD-Trips zu betrachten, der gerade zu Ende ist … oder anfängt. Die Geschliffenheit seines
Stils und seine manierierten Wendungen von Satzbau und
Bildsprache machen ihn zu einer Art Joyce Carol Gates des
Genres (und wie Gates, ist auch er fleißig und veröffentlicht
gute Kurzgeschichten, Romane und Essays mit erstaunlicher
Geschwindigkeit), und die Art, wie seine Figuren die Welt
sehen, hat auch etwas Oatessches an sich - wie bei einemTrip
auf mildem LSD, ist auch etwas Grusliges und leicht Schizophrenes an der Tatsache, wie seine Figuren die Welt sehen …
und was sie sehen. Nachfolgendes ist Roses Wahrnehmung in The Parasite, als sie in einem Liverpooler Kaufhaus einkauft:
Eine Gruppe alter Leute, deren Augen in die Höhlen gemalt waren, betrachtete sie im Vorübergehen. Im Erdgeschoß griffen rote und rosa und gelbe Hände auf Podesten
von der Handschuhtheke nach ihr. Blinde malvefarbene
Gesichter beugten sich auf Hälsen, die so lang wie Unterarme waren; Perücken nisteten auf ihren Köpfen. (…) Der
kahle Mann sah sie immer noch an. Sein Kopf, der aussah,
als wäre er auf ein Bücherregal gequetscht, schimmerte
unter den Neonlichtern wie Plastik. Seine Augen waren
hell, leer, ausdruckslos wie Glas; sie dachte an den seiner
Perücke beraubten Kopf einer Schaufensterpuppe. Als
sich eine dicke, rosa Zunge zwischen den Lippen hervorpreßte, war es, als wäre ein Plastikkopf zum Leben erwacht.
Guter Stoff. Aber seltsam; so einmalig Campbell, daß es ein
Markenzeichen sein könnte. Gute Horror-Romane sind nicht
im Dutzend billiger - keineswegs -, aber es scheint auch nie
Mangel daran zu bestehen. Damit meine ich, man kann
davon ausgehen, daß jedes Jahr ein guter Roman des Horrors
oder des Übernatürlichen (oder zumindest ein interessanter)
veröffentlicht wird -
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