Danse Macabre
wir sonst noch, das wir als grauenerregend
genug betrachten, es mit dem sicherlich ältesten Perjorativ
der Welt zu belegen? Nun, da waren all diese bizarren DickTracy-Bösewichter, als deren bestes Beispiel man vielleicht
Flyface anführen kann, und dann der Erzfeind von DonWinslow, der Skorpion, dessen Gesicht so schrecklich war, daß er
es immer verhüllt halten mußte (nur manchmal offenbarte er
es Untertanen, die ihn irgendwie enttäuscht hatten -besagte
Untertanen fielen dann auf der Stelle vom Her/schlag ereilt
zu Boden, buchstäblich zu Tode geängstigt). Soweit ich weiß,
wurde das schreckliche Geheimnis der Physiognomie des
Skorpions nie enthüllt (man verzeihe das Wortspiel, heb,
heb), doch gelang es dem wackeren CommanderWinslow einmal, die Tochter des Skorpions zu demaskieren, die das
schlaffe, tote Gesicht eines Leichnams hatte. Diese Informa
* Übersetzt etwa: »Pakistaner-Prügeln«; Ausdruck für Gewalttätigkeiten gegen die ausländische Bevölkerung Englands. (Anm.d.Übers.)
tion wurde dem atemlosen Leser kursiv dargeboten das
schlaffe, tote Gesicht eines Leichnams! -, um den Nachdruck
zu betonen.
Die »neue Generation« der Comic-Monster läßt sich wohl
am besten in denen zusammenfassen, die Stan Lees MarvelComics geschaffen haben, wo auf jeden Superhelden wie Spider-Man oder Captain America ein Dutzend Freak-Abweichungen zu kommen scheinen: Dr. Octopus (der Kindern
überall auf der Comic lesenden Welt als Doc Ock bekannt
ist), dessen Arme durch etwas erweitert wurden, das wie ein
ganzer Wald von tödlichen Staubsaugerrohren aussieht; der
Sandmann, der eine Art wandelnde Sanddüne ist; der Geier
(Vulture); Stegron; die Echse (Lizard); und der geheimnisvollste von allen, Dr. Doom, dessen Erscheinung bei seiner
Verirrten Suche nach der Verbotenen Wissenschaft so übel
entstellt wurde, daß er jetzt einem großen, scheppernden Cyborg ähnelt, der einen grünen Mantel trägt, durch Sehschlitze blickt, die an die Schießscharten mittelalterlicher
Burgen erinnern, und der buchstäblich Sturzbäche schwitzt.
Superhelden mit Elementen des Monströsen in ihrer Erscheinung scheinen weniger beständig zu sein. Mein eigener Favorit, Plastic Man (der sich stets in Begleitung seines wunderbaren spinnenden KumpanenWoozy Winks befand), hat es einfach nie geschafft. Reed Richards von den Fantastischen Vier
ist dem Plastic Man sehr ähnlich, und sein Gefährte Ben
Grimm (alias Das Ding) sieht aus wie ein verhärteter Lavastrom, aber sie sind einige der wenigen Ausnahmen von der
Regel.
Bis jetzt haben wir uns über Jahrmarktsfreaks und die Karikaturen unterhalten, die wir manchmal auf den Witzseiten
finden, wenden wir uns jetzt ein wenig näher der Heimat zu.
Sie werden sich vielleicht fragen, was wir im täglichen Leben
als monströs oder grauenerregend betrachten - wenn Sie Arzt
oder Krankenschwester sind, dann sind Sie hiervon ausgenommen; diese Menschen sehen mehr Mißbildungen als sie
ertragen können, dasselbe kann man auch für Polizisten und
Barkeeper sagen.
Aber was ist mit uns anderen?
Nehmen wir einmal Fettleibigkeit. Wie dick muß jemand
sein, bevor er oder sie die Grenze überschreitet und zu einer
Perversion der menschlichen Gestalt wird, die so abnorm ist
daß man sie als Monstrosität bezeichnen kann? Sicher nicht
die Frau, die Lane Bryant kauft oder der Bursche, der seine
Anzüge in der Abteilung des Herrenbekleidungshauses
kauft, die den »kräftig Gebauten« vorbehalten ist - oder
doch? Hat die fettleibige Person dann den Punkt der Monstrosität erreicht, wenn er oder sie nicht mehr ins Kino oder
in ein Konzert gehen kann, weil seine oder ihre Gesäßbacken
nicht mehr zwischen die Armlehnen eines Sitzes passen?
Sie werden verstehen, daß ich hier nicht davon spreche, wie
dick zu dick ist, weder im medizinischen noch im ästhetischen
Sinne, noch will ich jemandes Recht, dick zu sein, in Frage
stellen; ich spreche nur von der Dame, die Sie gesehen
haben, wie sie an einem Sommertag die Straße überquert,
um ihre Post zu holen, deren gigantischer Hintern in schwarzen Hosen steckt, deren Gesäßbacken wabbeln und aneinander reiben, deren Bauch aus einer losen weißen Bluse hängt
wie zäher Teig; ich spreche von dem Punkt, an dem einfaches
Übergewicht die äußersten Grenzwachen des Normalen hinter sich gelassen hat und zu etwas geworden ist, das das hilflose Auge anzieht und überwältigt, ungeachtet von Moral
oder Unmoral. Ich spreche von Ihren Reaktionen - und meinen eigenen - auf diese
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