Danse Macabre
Menschen, die so gewaltig sind, daß
wir uns fragen, wie sie Dinge ausführen, die wir als selbstverständlich betrachten: durch eine Tür gehen, sich ins Auto setzen, aus einer Telefonzelle daheim anrufen, sich bücken und
die Schuhe binden, duschen.
Sie können jetzt zu mir sagen, Steve, du sprichst schon wieder von Jahrmarktsattraktionen - die dicke Dame in ihrem
rosa Kinderkleidchen; die fettleibigen Zwillinge, die im Guiness-Buch der Rekorde verewigt worden sind, wie sie auf
identischen kleinen Motorrädern von der Kamera wegfahren, wobei ihre Gesäßbacken auf beiden Seiten herausragen
wie ein Traum von aufgehobener Schwerkraft. Tatsächlich
spreche ich überhaupt nicht von diesen Menschen, die
schließlich in ihrer eigenen Welt existieren, wo die Frage des
Normalen mit anderen Maßstäben gemessen wird. Kann man
sich in der Gesellschaft von Zwergen, lebenden Torsos und
siamesischen Zwillingen als Freak fühlen, auch wenn man
fünfhundert Pfund wiegt? Normalität ist ein soziologisches
Konzept. Es gibt einen alten Witz über zwei afrikanische
Staatsoberhäupter, die zu einem Staatsbesuch bei JFK sind
und dann gemeinsam in einem Flugzeug nach Hause fliegen.
Einer von ihnen staunt: »Kennedy! Was für ein merkwürdiger
Marne!« Diesbezüglich gibt es auch eine Folge von Twilight
Zone, »Eye of the Beholder«, über eine schrecklich häßliche
Frau, deren plastische Chirurgie gerade zum x-ten Mal ein
Mißerfolg war …, erst am Ende finden wir heraus, daß sie in
einer Zukunft lebt, in der die meisten Menschen wie groteske, humanoide Schweine aussehen. Die »häßliche« Frau
ist, wenigstens nach unseren Maßstäben, eine außergewöhnliche Schönheit.
Ich spreche vom dicken Mann oder der dicken Frau in unserer Gesellschaft - zum Beispiel dem vierhundert Pfund
schweren Geschäftsmann, der sich immer zwei Sitze in der
Touristenklasse bucht, wenn er fliegt, und die Armlehnen dazwischen hochklappt. Ich spreche von der Frau, die sich vier
Hamburger zum Mittagessen brät, sie zwischen acht Scheiben Brot verschlingt, dazu ein Kilo Kartoffelsalat mit saurer
Sahne, und anschließend vier Liter Breyers Eiscreme, die wie
ein Guß über einen Kuchen verteilt ist.
Als ich 1976 geschäftlich in New York war, sah ich einen
sehr dicken Mann, der in einem Doubleday-Buchladen in der
Fünften Avenue in der Drehtür steckengeblieben war. Er war
gigantisch und schwitzte in seinem blauen Nadelstreifenanzug, und er schien in diese Nische der Tür hineingegossen worden zu sein. Der Sicherheitswächter der Buchhandlung
bekam Unterstützung von einem Streifenpolizisten, und die
beiden schoben und grunzten gemeinsam, bis sich dieTür wieder in Bewegung setzte, Ruck für Ruck. Schließlich hatte sie
sich so weit bewegt, daß der Herr wieder hinaus konnte.
Ich habe mich damals gefragt und frage mich heute noch,
ob die Menge, die sich dort versammelt hatte, sich so sehr
von den Mengen unterschied, die sich bilden, wenn der Budenbesitzer mit seiner Jahrmarktsschreierei beginnt … oder
wenn Frankensteins Monster im originalen Universal-Film
von seinem Labortisch aufsteht und wandelt.
Sind dicke Menschen monströs? Wie wäre es mit jemandem
mit einer Hasenscharte oder einem großen Muttermal im Gesicht? Mit diesen beiden würden Sie bei keiner Freak-Show
des Landes unterkommen, die etwas auf sich hält - zu g e .
wohnlich, tut mir leid. Wie wäre es mit jemandem mit sechs
Fingern an einer oder beiden Händen, oder sechs Zehen an
den Füßen?
Auch solche Menschen gibt es eine Menge. Oder gehen wir
einfach ein Stück in Ihrer Straße, irgendwo in Amerika, entlang, wie wäre es mit jemandem mit einem wirklich schlimmen Fall von Akne?
Natürlich sind gewöhnliche Pickel nichts Aufregendesselbst die hübscheste Cheerleaderin einer Mannschaft bekommt ab und zu einmal einen auf der Stirn oder in einer
Ecke ihres küssenswerten Mundes, aber gewöhnlich dick ist
auch nichts Aufregendes - ich spreche von dem Aknefall, der
vollkommen Affenscheiße geworden ist und sich ausbreitet
wie etwas aus einem japanischen Horror-Film, Pickel an Pikkel, und die meisten rot und nässend.
Dabei kann einem, wie beim »Brustfresser« in Alien, der
Appetit aufs Popcorn vergehen …, aber das ist echt.
Vielleicht habe ich Ihre spezielle Vorstellung von Monstrosität im wirklichen Leben noch gar nicht berührt, vielleicht
werde ich es auch nicht, aber denken Sie einmal einen Augenblick an etwas so Gewöhnliches wie Linkshändigkeit.
Die Diskriminierung von
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