Danse Macabre
Altmetall und Glühbirnen ißt. Vielleicht haben nicht so
viele von uns dem Drang nachgegeben, die zwei oder vier
oder sechs Piepen aufzubringen und hineinzugehen, um sie
zu sehen, und solche ewigen Favoriten wie das Kalb mit den
zwei Köpfen oder das Baby in der Flasche (ich schreibe, seit
ich acht Jahre alt war, Horror-Stories, aber ich war noch nie
bei einer Freak-Show), aber die meisten von uns haben sicherlich einmal den Impuls verspürt. Und bei manchen Jahrmärkten wird der schrecklichste von allen Freaks in der Dunkelheit verborgen gehalten wie eine verdammte Kreatur aus
Dantes neuntem Kreis der Hölle, wird dort gehalten, weil
seine Darbietung von einem Gesetz aus dem Jahre 1910 verboten wird, wird in einer Grube gehalten und in Lumpen ge
* Und immer noch ist Leben im alten Enquirer. Ich kaufe ihn, wenn er
eine saftige UFO-Story oder etwas über Bigfoot enthält, aber meistens
überfliege ich ihn nur rasch, wenn ich an der Supermarktkasse
Schlange stehe, und suche nach so anhaltenden Geschmacksverirrungen wie dem berüchtigten Autopsiefoto von Lee Harvey Oswald oder
dem Foto von Elvis Presley in seinem Sarg. Aber er ist meilenweit von
den alten »Mutter-kocht-Hund-und-füttert-ihn-den-Kindern«-Tagen
entfernt.
kleidet. Das ist die Attraktion, und für ein oder zwei Extrapiepen kann man am Rande seiner Grube stehen und ihm zusehen, wie er einem lebenden Huhn den Kopf abbeißt und
diesen Kopf dann schluckt, während der geköpfte Vogel noch
in seiner Hand flattert.
Freaks haben etwas so Anziehendes und gleichzeitig so Verbotenes und Abstoßendes an sich, daß der einzige ernsthafte
Versuch, sie als Hauptattraktion eines Horror-Films einzusetzen, dazu führte, daß der Film rasch aus den Kinos verschwand. Der Film war Freaks, ein Film, den Tod Browning
1932 für MGM drehte.
Freaks erzählt die Geschichte von Kleopatra, der wunderschönen Akrobatin, die einen Liliputaner heiratet. In bester
E.-C.-Tradition (eines E. C., das 1932 noch fast zwanzig
Jahre in der Zukunft lag) hat sie ein Herz, das so schwarz ist
wie die Mitternacht in einem Kohlebergwerk. Sie will nicht
den Liliputaner, sondern sein Geld. Wie die männerverschlingenden menschlichen Minierspinnen der Comic -Geschichten, die noch kommen sollten, läßt sich Kleo bald mit einem
anderen Mann ein; in diesem Fall ist es Herkules, der Kraftmensch der Show. Wie Kleopatra selbst, ist auch er körperlich
normal, dennoch gelten unsere Sympathien eindeutig den
Freaks. Die beiden Bösewichter fangen ein Vergiftungsprogramm mit sofortiger Wirkung bei Kleos kleinem Ehemann
an. Die anderen Freaks finden heraus, was im Gange ist, und
nehmen eine fast unaussprechliche Rache an dem Paar. Herkules wird getötet (Gerüchte wolle n wissen, daß Browning
ursprünglich vorhatte, den Muskelmann kastrieren zu lassen), die wunderschöne Kleopatra wird in eine gefiederte
und beinlose Vogel-Frau verwandelt.
Browning beging den Fehler, in seinem Film echte Freaks
zu verwenden. Wir fühlen uns mit dem Horror nur dann wirklich behaglich, wenn wir den Reißverschluß am Kostüm des
Monsters sehen können, wenn uns klar wird, daß es nicht
echt ist. Der Höhepunkt von Freaks, als der Lebende Torso,
das Armlose Wunder und die Hilton Sisters - siamesische
Zwillinge -, unter anderen, durch den Schlamm kriechen und
gleiten und die kreischende Kleopatra verfolgen, war einfach
zuviel. Sogar einige der MGM-hörigen Vorführer weigerten
sich standhaft, den Film zu zeigen, und Carlos Ciarens berichtet in seiner Illustrated History of the Horror Film (Capricom
Books, 1968), daß während einer Vorab-Vorführung in San
Diego »eine Frau schreiend den Mittelgang entlanglief«
Nach einer Weile wurde der Film in einer so radikal geschnittenen Fassung vorgeführt, daß ein Kritiker sich beschwerte
er hätte keine Ahnung, was er eigentlich sah. Ciarens berichtet weiter, daß der Film in England dreißig Jahre lang verboten war, in dem Land, das uns unter anderem Johnny Rotten
Sid Vicious, die Snivelling Shits und den netten Brauch des
»Paki-bashing«* geschenkt hat.
Freaks wird heutzutage ab und zu von PTV-Sendern gezeigt
und dürfte, während ich dies schrieb, endlich alsVideocassette erhältlich sein. Aber er blieb bis zum heutigen Tag eine
Quelle hitziger Diskussionen, Kommentare und Mutmaßungen unter Horror-Fans - und wenngleich viele davon gehört
haben, haben ihn verblüffend wenige tatsächlich gesehen.
4
Lassen wir die Freaks einmal einen Augenblick völlig außer
acht. Was kennen
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