Danse Macabre
vorneherein als lächerliche Filme
konzipiert waren), diese Zweischneidigkeit gespürt und versucht, sie sich zunutze zu machen. Gibt es denn einen Zuschauer mit so toter Seele, daß er sich nie gewünscht hätte,
das Monster würde von der brennenden Windmühle herunterspringen und die Fackeln den unwissenden Mistkerlen in die
Hälse stopfen, die sich geschworen haben, seinem Leben ein
Ende zu setzen? Ich bezweifle, daß es so einen Zuschauer
gibt, und wenn es ihn gibt, dann muß er wahrhaftig hartherzig
sein. Aber ich glaube nicht, daß irgendein Regisseur das
ganze Pathos der Situation erkannt hat, und es gibt keinen
Frankenstein-Film, der so sehr zu Tränen rührt wie die letzte
Rolle von King Kong, als der Riesenaffe auf das Empire State
Building klettert und versucht, die mit Maschinengewehren
ausgerüsteten Flugzeuge zu bekämpfen, als wären sie prähistorische Vögel seiner Heimatinsel. Kong ist, wie Eastwood
in Leones Spaghetti-Western, der Archetyp des Archetyps.
Den Horror darüber, ein Monster zu sein, sehen wir in den
* Das größte Frankenstein -Monster von Hammer war wahrscheinlich
Christopher Lee, der danach als Graf Dracula Bela Lugosi fast verdrängte. Lee, ein großartiger Schauspieler, ist der einzige, der Karloffs
Interpretation der Rolle nahekommt, wenngleich Karloff mehr Glück
bei Drehbuch und Regie hatte. Alles in allem war Lee als Vampir besser dran.
Augen von Boris Karloff und später denen von Christopher
Lee; in King Kong ist er, dank den großartigen Spezialeffekten von Willis O’Brien, im ganzen Gesicht des Affen zu
sehen. Das Ergebnis ist beinahe eine Karikatur des freundlichen, sterbenden Fremden. Es ist eine der großen Verschmelzungen von Liebe und Horror, Unschuld und Entsetzen, die
emotionale Wirklichkeit, die Mary Shelley in ihrem Roman
nur andeutet. Dennoch vermute ich, sie hätte Dino de Laurentiis’ Bemerkung über die große Faszination dieser Zweischneidigkeit verstanden und hätte ihr zugestimmt. De Laurentiis sprach von seinem eigenen Remake von King Kong, das man getrost vergessen kann, aber er hätte über das unselige Monster selbst sprechen können, als er sagte: »Niemand
weint, wenn der weiße Hai stirbt.« Nun, wir weinen nicht gerade, wenn Frankensteins Monster stirbt - nicht so, wie das
Publikum weint, wenn Kong, die schanghaite Geisel einer
einfacheren, romantischeren Welt, von dem Sims auf dem
Empire State Building stürzt -, aber wir sind möglicherweise
angewidert von unserer eigenen Erleichterung.
4
Wenngleich das Treffen, das letztendlich dazu führte, daß
Mary Shelley Frankenstein schrieb, am Ufer des Genfer Sees
stattfand, Meilen von britischem Boden entfernt, muß es
dennoch als eine der verrücktesten britischen Tee-Parties
aller Zeiten angesehen werden. Und auf eine seltsame Weise
mag dieses Treffen nicht nur für Frankenstein verantwortlich
sein, der noch im selben Jahr veröffentlicht wurde, sondern
auch für Dracula, einen Roman von einem Mann, der erst
einunddreißig Jahre später geboren werden sollte.
Es war im Juni 1816, und eine Gruppe Reisender - Percy
und Mary Shelley, Lord Byron und Dr. John Polidori - war
aufgrund von zwei Wochen andauernden sintflutartigen Regenfällen dazu verurteilt, in den Gemächern zu bleiben. Sie
begannen gemeinsam, aus einem deutschen Buch mit dem
Titel Phantasmagoria Gespenstergeschichten vorzulesen,
und die Versammlung wurde eindeutig unheimlich. Die Ereignisse erreichten ihren Höhepunkt, als Percy Shelley eine
Art Anfall bekam. Dr. Polidori schrieb in seinem Tagebuch:
»Nach dem Tee, zwölf Uhr, begann tatsächlich das Gespräch
über Geister. Lord Byron las einige Verse aus Coleridges
»Christabel«, [den Teil über] die Brust der Hexe; danach
herrschte Schweigen, bis Shelley plötzlich zu kreischen anfing, die Hände zum Kopf hob und mit einer Kerze aus dem
Zimmer lief. [Ich] spritzte ihm Wasser ins Gesicht und gab
ihm danach etwas Äther. Er sah Mrs. Shelley an und dachte
plötzlich an eine Frau, von der er gehört hatte, die Augen anstelle von Brustwarzen hatte. Dieser Gedanke ließ ihn nicht
mehr los und entsetzte ihn.«
Diese Engländer.
Man einigte sich darauf, daß jedes Mitglied der Gruppe
sich daran versuchen sollte, eine neue Gespenstergeschichte
zu erschaffen. Es war Mary Shelley, deren Werk als Folge der
Versammlung als einziges Bestand haben sollte, die die meisten Schwierigkeiten mit der Arbeit hatte. Sie hatte überhaupt keine Idee, und es vergingen einige Nächte, bevor ihre
Phantasie
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